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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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es ihr nicht, ihn zu sehen.
    „Emil, du bist's?“ rief Thomas. „Da trete ich gern zurück; denn niemandem gönne ich dieses Glück so gern wie dir!“
    Und wie um dem Baron jedes weitere Gebot abzuschneiden, rief er schnell hintereinander:
    „Also hundert Taler zum ersten, zum zweeten und zum dritten Male, Pumps! Unser neuer Herr Vorsteher, der leider durch das Feuer abgehalten worden is, eher zu erscheinen, gibt für Fräulein von Chlowicki hundert Taler. Und da diese Summe die höchste is, die heute geboten wurde, so is die genannte Dame die Königin des heutigen Festes. Es wird, sobald sich unser Feuermann in een anderes Habit geworfen hat, sofort zur Krönung geschritten werden. Jetzt aber erlobe ich mir vor allen Dingen die Majestäten eenander vorzustellen.“
    Wanda erhob sich, als Thomas von der Tafel stieg, auf welcher er bisher gestanden hatte, um ihr den König zuzuführen. Sie liebte das Ungewöhnliche und fühlte ihr aristokratisches Gewissen nicht im mindesten beschwert durch den Vorwurf, die Königin eines bürgerlichen Balles zu sein. Zudem war Winter ja als Vorsteher der Gesellschaft bezeichnet worden, ein Umstand, welcher ihm als Empfehlung dienen mußte. In der einfachen Natürlichkeit dieser Leute, deren harmlose Munterkeit, verbunden mit einem offenen, gutmütigen Wesen, und unterstützt von dem treuherzigen Charakter ihres Dialektes auch eine stolzere Natur, als die ihrige, anmuten und anheimeln mußte, lag wenigstens für sie nichts Verletzendes. Die Sonne des Lebens hatte für sie nur kaltes, winterliches Licht gehabt und ihr nur selten einen freundlichen, erwärmenden Strahl zugesandt. Die Quelle ihres tiefen, reinen Gemütes war von einer falschen, auf wankenden Grundsätzen fußenden Erziehung zurückgedrängt und mit steinernem Riegelwerk verschlossen, der Reichtum ihres Geistes brach gelegt und ihr Wollen und Handeln von den rechten Bahnen seitwärts gelenkt worden. Der Anschluß an ein ihr innerlich verwandtes Wesen war ihr versagt geblieben, und so hatte sie sich stets einsam und verlassen gefühlt und in dieser Einsamkeit keine Gelegenheit gefunden, nach der echten Freiheit und Selbständigkeit zu streben und diese hohen Güter auch in der rechten Weise anzuwenden. So war sie das geworden, als was man sie bezeichnete, die wilde Polin.
    Ihre Verlobung war das Werk kalter Berechnung, der sie sich nur gezwungen gefügt hatte. Der Baron war ihr verhaßt und widerwärtig, und da er ihr mit verletzender Offenheit zeigte, daß er nur von geschäftlichen Rücksichten in ihre Nähe geführt worden sei, so machte auch sie keine Anstrengung, ihm ihre Gesinnung zu verhehlen, und ersah sich aus der Verbindung mit ihm weder Glück noch Segen. Sein herrisches und hofmeisterliches Gebaren empörte sie, und mit Befriedigung ergriff sie deshalb jede Gelegenheit, sich unabhängig von ihm zu zeigen. Daher kam auch ihre gegenwärtige Bereitwilligkeit, sich von der Auktion nicht auszuschließen, deren Ergebnis ganz ihren Wünschen entsprechend war. Hätte der Baron sie erstanden, so hätte sie sofort den Saal verlassen, nun er aber geschlagen worden war, beschloß sie, dem Sieger durch freundliches Entgegenkommen zu danken und heute einmal so recht fröhlich unter den Fröhlichen zu sein.
    „Ach was da“, hörte sie vorn an der Tür den Auktionator rufen. „Erst heeme loofen und Toilette machen! Dazu is es nachher ooch noch Zeit, Emil. Es würde doch die reene Unhöflichkeet sein, wenn du deine Dame so lange off die Geduldsprobe stellen wolltest. Du mußt ihr vor allen Dingen jetzt das schuldige Kompliment machen und nachher um den notwendigen Urlaub bitten. Komm!“
    „Ja, Emil“, unterstützte ihn der Schmied mit nachdrucksvollem Baß. „Ich sehe akkurat so unappetitlich aus wie du, und doch bin ich meiner Gouvernante, die ich erstanden habe, willkommen gewesen. Deine Dame is jedenfalls nich weniger verständig als die meinige. Wir kommen eben von der Arbeit, und die hat noch niemand geschändet. Geh nur, geh!“
    Sie sah die Versammlung sich teilen und Thomas auf sich zukommen. Hinter ihm ging ein anderer.
    War es möglich? Deutlich fühlte sie das zornige Klopfen ihres Herzens; das Auge öffnete sich weit bei dem Anblick des rußgeschwärzten Mannes, und über ihre weichen Züge legte sich jene strenge Kälte, hinter deren Schild die gekränkte Weiblichkeit sich so gern und erfolgreich flüchtet. Ein rascher Blick in das Angesicht des Barons zeigte ihr ein schadenfrohes, höhnisches Lächeln,

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