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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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übertragenen Würde gerecht zu werden.
    „Ist diese Anstrengung so groß gewesen?“ fragte sie.
    „Gewiß; er hat drei Menschenleben gerettet.“
    „Drei Menschenleben“, wiederholte sie, und ihr schönes Auge füllte sich mit leuchtendem Glanz. „War Gefahr dabei?“
    „Sehr. Der Zutritt von unten war unmöglich, so mußte er von dem Nachbarhaus auf das Dach hinabspringen, mitten durch Rauch und Flammen über die Firste hinklettern und sich durch die Feueresse einen Weg in die Kammer bahnen, in der die Leute staken. Dann hat er das Dach zerschlagen, und eenen nach dem anderen in die mitgenommenen Decken gewickelt und über die Firste zurückgetragen.“
    „Das ist eine Heldentat, welche den größten Dank verdient.“
    „Der mag keenen Dank. Er ist sogar fortgegangen, als er bemerkt hat, daß sie nach ihm suchten: 's is een Kerl, der mehr wert is als zehn Barone!“
    Diese Worte waren laut genug gesprochen, daß Säumen sie vernehmen konnte, und auch Wanda mußte den Vorwurf, welcher in ihnen lag, um so mehr als einen gerechten anerkennen, als sie überzeugt war, daß sie nur Winter die Schonung zu verdanken habe, mit welcher diese guten Menschen ihr feindliches Benehmen ignorierten.
    „Wird er wiederkommen?“
    „Ja; er is Vorsteher und kann nicht gut entbehrt werden.“
    „Ich bin bereit, den Thron, welchen Sie mir bieten, zu besteigen und werde mich sehr bestreben, meine Untertanen während der Dauer meiner Regierung froh und glücklich zu sehen. Bitte, Herr Thomas, rufen Sie die Herren zu einer Beratung zusammen.“
    Sie trat in die Mitte des Saales, und bald herrschte in der Versammlung die heiterste Regsamkeit, von welcher nur der Baron, als der einzige, welcher keine Dame hatte, ausgeschlossen war. In vornehmer Nonchalance lag er auf dem Stuhl und würdigte das fröhlich um ihn herwogende Treiben keines Blickes. Aber trotz seiner anscheinenden Teilnahmslosigkeit zuckte ein gewaltsam zurückgehaltener Ärger um seine Lippen, und unter den halbgeschlossenen Lidern flog zuweilen ein zorniger Blick hinüber zu der Verlobten, die seine Anwesenheit gänzlich vergessen zu haben schien.
    Als jeder seine Anstellung erhalten hatte, wurde das Programm entworfen. Krönung, Huldigung, Paraden, Manöver, Kammer- und Reichstagsversammlungen fanden auf demselben ihren Platz, und nur kurze Zeit war vergangen, so erkannten die entzückten Untertanen, daß es unmöglich sei, eine schönere und liebenswürdigere Königin zu wünschen. Wanda selbst fühlte sich amüsiert wie noch nie, und hätte die Gegenwart des Barons und der Gedanke an den zurückgewiesenen König nicht einen Schatten über ihr vor Freude gerötetes Angesicht geworfen, so wäre der heutige Abend der froheste und ungetrübteste ihres bisherigen Lebens gewesen.
    Da bemerkte sie einen jungen Mann, welcher in nachlässiger Haltung an dem Buffet lehnte und mit halbem Lächeln die heiter beschäftigte Versammlung beobachtete. Wieder und immer wieder mußte sie den Blick zu ihm hinlenken, und ebenso bemerkte sie, daß auch sein Auge immer von neuem zu ihr zurückkehrte.
    Wer war dieser Fremde, den sie nicht kannte, und den sie gleichwohl schon irgendwo gesehen zu haben glaubte? Sie mußte sich gestehen, daß das Äußere dieses Mannes ein ungewöhnliches sei und ihr ein ebenso ungewöhnliches Interesse abnötigte. Ein wehmütiger Ernst schien nicht bloß für den gegenwärtigen Augenblick, sondern für immer seinen Sitz in den blaßfeinen, geistreichen Zügen aufgeschlagen zu haben. Die hohe, freie Stirn gab dem männlich schönen Angesicht etwas ungemein Dominierendes; das Auge blickte so selbstbewußt und sicher in die buntbewegte, kleine Welt hinein, als hinge jede dieser Bewegungen nur von seinem Blick ab; seine Haltung trug das Gepräge strengster Eigentümlichkeit, und als er jetzt quer durch den Saal schritt, um sich dem isoliert sitzenden Baron zu nähern, zeigte jede seiner Bewegungen eine Eleganz, welche selbst in dem feinsten Zirkel Lob gefunden hätte.
    Er nahm neben dem Baron Platz, und es war augenscheinlich, daß dieser der angeknüpften Unterhaltung das wärmste Interesse widmete. Sie wußte, daß ein wirklich nicht unbedeutendes Talent erforderlich sei, dem blasierten und dünkelhaften Säumen Achtung für eine Persönlichkeit einzuflößen und ihn zur Teilnahme an einer so lebhaften Konversation zu bewegen, und doch waren die Erfolge hier in so kurzer Zeit erreicht, daß Wanda den Wunsch fühlte, diesen Mann nicht bloß von weitem

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