40 - Im fernen Westen
unwillkommen. Dieser Mensch hat es in der Hand, alle seine Pläne zu durchkreuzen, und Säumen wird sich also durch Zugeständnisse aus seiner Abhängigkeit befreien müssen. Es gilt deshalb, die beiden Männer unausgesetzt zu beobachten, und dazu hat mir der Professor die schönste Gelegenheit gegeben. Ich bin nämlich von ihm als Gehilfe engagiert.“
„Als Gehilfe! Wie kommt denn der Mensch zu dieser Dummheit?“
„Auf dem allereinfachsten Weg. Er hält mich für einen ehemaligen Mitgefangenen, der entsprungen ist wie er. Nach seiner Meinung habe ich ihn also ebenso in der Hand, wie er den Baron, und um meiner so viel als möglich sicher zu sein, hat er mich an sich gebunden.“
„Eine gefährliche Sache.“
„Ich unterschätze die Gefahr auch nicht, zumal ich gewisse Blicke bemerkt habe, die mir nichts Gutes weissagen. Doch bin ich wohl gewappnet und kenne meine Leute, während der Professor von mir vollständig irregeleitet ist. Vor allen Dingen ist es notwendig, daß wir und deine Freunde uns nicht kennen. Trotzdem aber müssen wir Fühlung behalten; denn es könnte leicht kommen, daß uns Hilfe nötig wäre.“
„Auf uns kannst du dich verlassen. Aber wie kommt es, daß du so bald zu mir kommen konntest, obgleich der Professor dich jedenfalls sehr im Auge behalten wird?“
„Er hatte natürlich nichts Notwendigeres zu tun, als den Baron aufzusuchen, um mit diesem ins reine zu kommen, und so habe ich Gelegenheit gehabt, dir meinen Besuch zu machen.“
„Willst du Thomas sprechen?“
„Ja. Bestelle ihn heute abend in unseren Gasthof; du kannst mitkommen und ihm einen Wink geben, wenn ich hinausgehe; denn ich kenne ihn nicht persönlich. Welchen Erfolg hat deine Anzeige in betreff des Felsenbruchs gehabt?“
„Keinen. Man hat es vermeintlich mit einem Baron zu tun, und ein solcher ist bekanntlich nur zu Gutem befähigt. Zudem logiert er, wie du weißt, bei dem Polizeirat, Grund genug, die Sache totzuschweigen, obgleich es sich dabei um die Genugtuung für eine Dame handelt, welche, mit mehr Recht, als er, den höheren Ständen angehört.“
„Hast du mit dem Stadtrichter seit jenem Tage wieder einmal gesprochen?“
„Ja.“
„Was sagte er?“
„Er meinte: ‚Mein lieber Herr Winter, ich erkenne Ihren Eifer dankbar an; aber Sie müssen bedenken, daß Ihr Verdacht von dem Umstand, daß der Herr Baron der Verlobte von Fräulein von Chlowicki ist, vollständig überwogen wird.‘“
„Und was antwortetest du ihm?“
„Ich hielt es für überflüssige Mühe, ein Wort zu entgegnen, zumal ich deine Ankunft erwartete. In deiner Hand ist diese Angelegenheit besser aufgehoben, als in derjenigen der hiesigen Polizei.“
„Du traust mir zu viel zu. Ich bin ein Subalternbeamter und darf nicht selbständig handeln. Zudem befinde ich mich hier auf einem Terrain, wo mein Amt aufgehört hat, mir wenigstens einige Macht oder einige Rechte zu verleihen.“
„Ja, was dann? Soll der Baron, wenn er wirklich, wie ich vermute, ein Verbrechen beabsichtigte, straflos ausgehen? Sogar die Polin mißtraut ihm, wie ich aus der Taschentuchszene ersehen habe.“
„Wir werden ja sehen. Ich befinde mich in meiner jetzigen Stellung nicht wohl und werde changieren, wenn nicht endlich die so lang erwartete und zehnmal schon verdiente Beförderung eintritt. Ich riskiere also wenig oder nichts, wenn ich hier va banque spiele. Gewinne ich, so wird die Beförderung da sein; verliere ich, so habe ich weiter nichts aufs Spiel gesetzt, als nur das, was ich früher oder später freiwillig weggeworfen hätte.“
„Ich wünsche nicht, daß du dir Schaden tust, obgleich ich überzeugt bin, daß der Baron ein Verbrecher ist.“
„Ich werde die Sache vorsichtig untersuchen, ehe ich einen entscheidenden Schritt tue. Vor allen Dingen muß ich den Überrock sehen, und für das übrige bin ich gewohnt, nächst meiner Aufmerksamkeit dem Zufall das meiste zu überlassen. Was bedeutete denn dein sonderbares Gespräch mit der Polin vorhin?“
„Welches?“
„Du wiesest ihren Dank ab und fordertest sie auf, dir zu zürnen.“
„Eine kleine, halb scherzhafte, halb ernste Plänkelei.“
„Die jedenfalls ihren Grund hat.“
„Möglich.“
„Einen Grund, den ich gern wissen möchte.“
„Wird dir nicht viel nützen, Bruder.“
„Mir nicht, aber vielleicht dir. Wenn meine Tätigkeit von Erfolg sein soll, so muß ich dein Verhältnis zu den einzelnen Personen bis ins genauste kennen lernen. Also beichte!“
„Es geht
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