40 - Im fernen Westen
meine.“
„Versteht sich, versteht sich, kenne Euch gut genug; aber hier habt Ihr Euren Ring. Werdet später erst sehen, was es heißt, daß ich ihn Euch wieder zustelle. Für jetzt aber will ich Euch den Apachen schicken; seine Wache ist um. Legt Euch aufs Ohr, damit Ihr früh am Tage munter seid. Wir werden morgen einmal unsre Gäule drannehmen und zwei Tagereisen erzwingen müssen.“
„Zwei? Wollten wir morgen nicht bloß bis zum Green park?“
„Habe mich anders besonnen; good night!“
„Good guard; vergeßt nicht, mich zu wecken, wenn ich Euch abzulösen habe!“
„Schlaft nur zu! Kann's auch mal für Euch tun, die Augen offen halten; habt für mich genug getan.“
Mir war ganz wunderbar zumute. Ich wußte nicht, was ich von der Unterredung denken sollte, und als ich nun so allein dalag, gingen mir tausenderlei Vermutungen durch den Kopf, von denen ich nicht eine einzige stichhaltig fand. Lange noch, nachdem Winnetou zurückgekehrt war und sich zum Schlafen in seine Decke gewickelt hatte, warf ich mich ruhelos von einer Seite auf die andere. Die Erzählung hatte mich aufgeregt; jener fürchterliche Abend ging mit allen seinen Einzelheiten immer von neuem an meiner Seele vorüber, zwischen seinen grausigen Gestaltungen tauchte immer und immer wieder Old Firehand empor, und noch im letzten Ringen zwischen Wachen und Träumen klangen mir die Worte ins Ohr: „Schlaft nur zu; habt genug für mich getan!“ –
Als ich am anderen Morgen erwachte, fand ich mich allein am Feuer; doch konnten die beiden anderen nicht weit entfernt sein; denn der kleine, blecherne Kessel hing mit dem kochenden Wasser über der Flamme, und neben dem Stück Bärenzunge, welches gestern abend übrig geblieben war, lag der offene Mehlbeutel.
Ich wickelte mich aus meiner Umhüllung und schritt, um mich zu waschen, nach dem Wasser.
Dort standen, im eifrigen Gespräch begriffen, die Gefährten, und ihre Bewegungen, als sie mich erblickten, sagten mir, daß ich der Gegenstand ihrer Unterhaltung gewesen sei.
Kurze Zeit später waren wir zum Aufbruch bereit und schlugen eine Richtung ein, welche uns in einer Entfernung von vielleicht zwanzig Meilen vom Missouri parallel mit diesem Fluß auf das Tal des Mankizila zuführte.
Der Tag war kühl. Wir waren gut beritten, und da wir unsere Tiere während der letzten Tour geschont und immer gut gepflegt hatten, so legten wir nach und nach ein tüchtiges Stück grünes Land hinter uns.
Eigentümlich war die Veränderung, welche ich heute in dem Verhalten meiner Gefährten zu mir bemerkte. Bisher hatten sich beide zu mir gestellt wie alte, erfahrene Gönner zu einem wenn auch gelehrigen, aber doch noch unkundigen Schützling; jetzt aber lag eine deutlich erkennbare Rücksicht, ich möchte sagen Achtung, in ihrem ganzen Benehmen, und es war mir ganz so, als ob in dem Blick, den der eine oder der andere zuweilen über mich gleiten ließ, etwas von einer zurückgehaltenen Zärtlichkeit Ähnliches liege. –
Es war überhaupt augenfällig, welch beinahe liebevolle Aufmerksamkeit und Ergebenheit die zwei Leute gegeneinander zeigten. Zwei Brüder, die sich durch die Bande des Blutes mit jeder Faser des Innern aneinander gefesselt fühlen, hätten nicht besorgter füreinander sein können, und es dünkte mir, als begegne sich diese beiderseitige Fürsorge jetzt in meiner Person.
Als wir um die Mittagszeit haltmachten und Old Firehand sich entfernte, um die Umgebung des Lagerplatzes zu rekognoszieren, streckte sich, während ich den Proviant hervorholte, Winnetou an meiner Seite nieder und meinte:
„Mein Bruder ist kühn wie die große Katze des Waldes und stumm wie der Mund des Felsens.“
Ich schwieg zu dieser sonderbaren Einleitung.
„Er hat die Blume der Savanne aus dem Feuer gerissen und nicht davon gesprochen zu Winnetou, seinem Freund.“
„Die Zunge des Mannes“, antwortete ich, „ist wie das Messer in der Scheide. Es ist scharf und spitz und taugt nicht zum Spiel.“
„Mein Bruder ist weise und hat recht; aber Winnetou ist betrübt, wenn das Herz seines jungen Freundes sich ihm verschließt wie der Stein, in dessen Schoß die Körner des Goldes verborgen liegen.“
„Ist das Herz Winnetous geöffnet gewesen dem Ohr seines Freundes?“
„Hat er ihm nicht gesagt alle Geheimnisse der Prärie? Hat er ihm nicht gezeigt und gelehrt die Spur zu sehen, den Lasso zu werfen, den Skalp zu lösen und alles zu tun, was ein großer Krieger kennen muß?“
„Winnetou hat es getan;
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