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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Beine so zu werfen versteht wie sie. Ich gäbe sie nicht hin für alle Biberfelle und Indianerhäute, die ich den Bälgen gezogen habe!“
    Er klopfte zärtlich den langen, dürren Hals seiner Rosinante und sank dann in jene unbeschreibliche Haltung zurück, welche er auf ihrem scharfen Rücken einzunehmen pflegte. Ich kannte das alte, zuweilen recht obstinate, sonst aber wirklich ausgezeichnete Tier und mußte darum seine Anhänglichkeit für dasselbe billigen. Wer da weiß, welchen Wert ein gutes Pferd für einen Präriejäger hat, der wundert sich nicht über die ungewöhnliche Zuneigung, welche beide füreinander zu besitzen pflegen.
    In kurzem Trab ging es weiter und bald zeigte es sich, daß meine Vermutung die richtige gewesen war. Wir hielten vor einer jener Schluchten, welche das sonst vollständig ebene Terrain rinnenförmig durchschneiden, meist irgendeinem Flüßchen als Bett dienen und ‚Bluffs‘ genannt werden. Das vor uns liegende, scharf und steil in die Tiefe fallende Tal bildete eine schmale Pfanne, welche der tiefe, schwarzwellige Young-Kanawha durchströmte, um sich unten zwischen nahe zusammentretenden Felsenmassen rauschend und schäumend einen gefährlichen Ausweg zu suchen. Die ganze Sohle der Senkung war mit Anlagen, wie sie die Petroleumerzeugung erfordert, bedeckt; oben ganz nahe am Wasser sah ich einen Erdbohrer in voller Tätigkeit; am mittleren Lauf stand etwas vor den eigentlichen Fabrikräumlichkeiten ein trotz des Interims ganz stattliches Wohngebäude, und wo das Auge nur hinblickte waren Dauben, Böden, Reifen und fertige Fässer, teils leer, meist aber mit dem vielbegehrten Brennstoff gefüllt zu sehen.
    „Heigh-day, Sir“, meinte Sam, „da ist ja alles, was wir uns nur wünschen können! Ist das nicht ein Store, das dort am Fluß steht?“
    „Jedenfalls ist es so ein Ding: Laden, Restauration, Destillation, Herberge und alles sonst noch Mögliche gleich beisammen. Steig ab, Sam; wollen wir nicht den Hals riskieren, so müssen wir diesen steilen Weg zu Fuß zurücklegen!“
    „Meine es auch, Sir! Der Hals ist zuweilen das Beste, wofür der Sohn meiner Mutter zu sorgen hat.“
    Er folgte meinem Beispiel und stieg vom Pferd. Erst jetzt war die Gestalt des Mannes, dem ein Unbekannter wohl kaum den kühnen Rifleman angesehen hätte, in der rechten Weise zu erkennen. Unter der wehmütig herabhängenden Krempe eines Filzhutes, dessen Alter, Farbe und Façon selbst dem schärfsten Denker einiges Kopfzerbrechen verursacht hätte, blickte zwischen einem dichten Wald von verworrenen schwarzgrauen Barthaaren die riesige Nase hervor, welche jeder beliebigen Sonnenuhr als Schattenwerfer hätte dienen können. Infolge des gewaltigen Bartwuchses waren außer diesem so verschwenderisch ausgestatteten Riechorgan von den übrigen Gesichtsteilen nur die zwei Äuglein zu bemerken, welche eine außerordentliche Beweglichkeit zeigten und unter dem Ausdruck schalkhafter List unruhig hin und wider blitzten. Der kleine Körper stak in einem alten ledernen Jagdrock, welcher augenscheinlich für eine bedeutend stärkere Person angefertigt war und dem ehrlichen Hawkens ganz das Aussehen eines Kindes gab, das sich zum Vergnügen einmal in den Schlafrock des Großvaters gesteckt hat. Aus dieser Umhüllung guckten zwei dürre, sichelkrumme Beine hervor; die ausgefransten Leggins, mit denen sie bekleidet waren, hatte das Männchen sicher schon vor zwanzig Jahren ausgewachsen und gestatteten einen Blick auf ein Paar Indianerstiefel, in welchen zur Not der ganze Besitzer während eines Regengusses hätte Platz und Schutz suchen können.
    Wie er, seine Mary am Zügel führend, langsam und vorsichtig vor mir so den schmalen Schluchtpfad hinabstieg, glich er mehr einer Karikatur als dem, was er wirklich war; ich aber wußte, daß es wohl selten einen Trapper oder Scatter gab, vor dem mein kleiner Sam die Augen niedergeschlagen hätte. Unten im Tal angekommen, bestieg er das Pferd wieder und deutete nach dem Store.
    „Vorwärts, Sir! Ich habe einen Hunger, daß ich gleich einen Büffel verschlingen möchte, und der Durst ist nicht minder groß. Wem gehört denn eigentlich dieses Oil-work hier?“
    „Dem reichen Josias Alberts, wenn ich nicht irre. Er kam vom Oil-creek im Venango-County hierher und wird zu den ersten Ölprinzen der Union gezählt. Vielleicht bekommen wir ihn zu sehen!“
    „Sehn' mich nicht nach ihm! Ein saftiges Stück Buffalo-Lende ist dem Sohn meiner Mutter jetzt lieber als zehn solcher

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