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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sein Instinkt machte die Führung des Zügels und den Gebrauch der Sporen vollständig überflüssig. Der Bergpfad, welcher uns herabgeführt hatte, war uns verschlossen, denn der Glutstrom war schon an ihm vorübergeflutet. Wir mußten die Höhe zu gewinnen suchen und konnten nur aufwärts Rettung finden; aber ich hatte am Tag nichts einem Weg ähnliches bemerkt und im Gegenteil gesehen, daß die Felswände so eng zusammentraten, daß der Fluß sich nur schäumend den Ausweg erzwingen konnte.
    Die alte, langbeinige Mary lief zum Verwundern; mein Hengst konnte sie nur um wenige Kopflängen überholen. Die braven Tiere fühlten die Gefahr, welche sich mit jeder Sekunde vergrößerte. Der glühende Strom hatte die Lagerräume erreicht; die Fässer sprangen mit kanonenschußähnlichem Knall und ergossen ihren sofort in heller Lohe brennenden Inhalt in das auf diese Weise immer mehr anwachsende und immer rascher vorwärtsschreitende Feuermeer. Die Luft war zum Ersticken heiß; ich hatte das Gefühl, als koche ich in einem Topf siedenden Wassers und doch wuchsen Hitze und Trockenheit mit solcher Rapidität, daß ich endlich innerlich zu brennen meinte. Die Sinne wollten mir schwinden, aber es galt nicht bloß mein Leben, sondern auch dasjenige des Wesens, welches vollständig besinnungslos vor mir quer über dem Sattel lag.
    Die Flammen beleuchteten die Felswände hell genug, um erkennen zu lassen, daß diesseits des Flusses kein Pfad empor zur Höhe führte. Wir mußten hinüber auf die andere Seite. Ein leiser Schenkeldruck – ein Sprung des gehorsamen Tieres und hochauf schlugen die Wellen über uns zusammen. Ich fühlte neue Kraft, neues Leben durch die Adern pulsieren, aber das Pferd war unter mir verschwunden. Doch das war jetzt gleich, nur hinüber, immer hinüber! Ich schwamm wie noch nie, nie in meinem ganzen Leben, mit einer Angst, die nicht zu beschreiben war. Hawkens war mir gefolgt; ich hörte sein Stöhnen hinter mir.
    Als ich das Ufer erreichte, schnaubte es an meiner Seite – Arrow, du Treuer, Wackerer, bist du es? – Ich schwang mich mit meiner Bürde von neuem auf. Fast wahnsinnig vor Aufregung und Überanstrengung ging es wieder vorwärts; ich wußte nicht mehr, was ich tat, ich ließ dem Pferd freien Willen und fühlte nur, daß es in rasendem Lauf vorwärts schoß, dann in weiten Sätzen über Riffe und Sprünge setzte, ferner mit keuchendem Schnauben von Kante zu Kante, von Fels zu Fels kletterte und endlich freudig wiehernd stille stand.
    Es dauerte lange, ehe ich mich so erholt hatte, daß ich meine Lage überblicken konnte. Der Himmel glänzte blutig rot und der Brodem des entfesselten Elements kumulierte in dichten, schwarzen, von purpurnen Lichtern durchbrochenen Ballen über dem Herd der Verwüstung. Wie es dem Pferd gelungen war, ich weiß es heute noch nicht, aber es hatte seine doppelte Last die steile Steinwand, an der kein Pfad zur Höhe stieg, emporgetragen und auch dem braven Hawkens zum Führer gedient, denn dieser lag in meiner unmittelbaren Nähe, zwar bewegungslos, jedenfalls aber nicht ohne Leben.
    Ich richtete meine Aufmerksamkeit natürlich auf diejenige zunächst, welche der treue Arrow mit mir aus der Glut gerettet hatte. Es war ein Mädchen; sie lag vor mir so bleich, so kalt und starr. War sie in der fürchterlichen Hitze erstickt oder später in den Fluten des Wassers ertrunken? Das leichte Gewand war durchnäßt, und auf dem bewegungslosen Angesichte spielten die düstern Reflexe der über den Rand der Ebene emporsprühenden Feuerstrahlen. Ich befand mich in großer Verlegenheit, da ich nicht wußte, in welcher Weise ich ihr Hilfe bringen könnte. Da atmete es neben mir tief und schwer, und die bekannte Stimme Hawkens' fragte:
    „Heigh-ho! Bin ich denn gebraten oder gesotten? Was ist nur eigentlich mit dem Sohn meiner Mutter vorgegangen?“ Sich langsam emporrichtend, gewahrte er mich. „Da seid Ihr ja, Sir! Ah, jetzt weiß ich, was es gegeben hat: Das Tal brennt, und meine Mary – 's death, wo ist die Mary hingekommen? Ich habe sie im Wasser verloren und bin immer nur Eurem Arrow nachgerannt und nachgestiegen. Mary! – Mary!! – Mary!!!“
    Ein kurzes Wiehern antwortete in der Ferne.
    „Mary, altes Viehzeug, komm, komm zu deinem Sam!“ rief freudig der Kleine und schlang, als die kamelbeinige Stute langsam herbeigehinkt kam, die beiden Arme fast weinend um ihren hageren Hals. „Sie geht lahm, sie hat sich Schaden getan; ich glaube gar, sie ist von den

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