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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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gekümmert. Aus ihren Unterlagen erfuhr ich, wer mein leiblicher Vater war. Meine Alte hat sich zeit ihres Lebens geweigert, mir das zu erzählen. Und weißt du auch, was sie mir noch verschwiegen hat? Dass ich einen Halbbruder habe.«
    » Alexander.«
    » Alexander.« Hesse kicherte leise, und Faris konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er langsam in den Wahnsinn abdriftete. » Aber weißt du was? Über all das können wir später noch plaudern. Wo bist du gerade?«
    Faris blickte durch die Windschutzscheibe. » Schon auf dem Stadtring, direkt vor der Unterführung.«
    » W…«, es knisterte in der Leitung, als Faris durch den kurzen Tunnel fuhr. Für einen Moment war die Verbindung sehr schlecht, » … dir sage!«
    Faris überlegte. » Was passiert, wenn ich nicht allein komme?«
    » Wenn du das tust, stirbt dein Herzblatt!« Die Drohung klang höhnisch und völlig irre.
    Faris’ Finger krampften sich um das Lenkrad, sein Fuß ging vom Gas. » Welches Herzblatt?«, erkundigte er sich vorsichtig, obwohl er die Antwort längst ahnte.
    » Tu nicht so naiv!«, fauchte Hesse.
    Faris schluckte gequält. » Laura?« Das Wort schmerzte in seiner Kehle.
    » Warte mal.« Erneut knisterte es in der Leitung. » Sag mal hallo zu Faris, meine Liebe!«
    Es knackte. Dann sagte eine Stimme: » Faris?«
    » Laura!« Er bekam kaum noch Luft.
    » Er hat mich überwältigt«, murmelte sie. Sie klang schläfrig. » Du musst…«
    Den Rest hörte er nicht mehr, denn nun war Hesse wieder dran. » Das macht die Sache noch ein bisschen interessanter, was?« Die Verbindung war schlecht. » Jedenfalls zeigt es dir, dass du besser tust, was ich dir sage!«
    Heiße Wut wühlte in Faris’ Eingeweiden, und er begrüßte sie, weil sie ihm Kraft gab. Dennoch musste er einen klaren Kopf behalten. Er wusste, dass Tromsdorff und die anderen dieses Gespräch mithörten. Tromsdorff würde alles Menschenmögliche in die Wege leiten, um ihm zu helfen, Hesse zur Strecke zu bringen. Doch solange dieser Mistkerl den Finger am Auslöser hatte, konnten sie so gut wie nichts tun.
    Außer den Befehlen zu gehorchen, die sie erhielten.
    » Was willst du von mir?«, fragte Faris mit trockenen Lippen. » Was bezweckst du mit all diesen Spielchen?«
    Hesse antwortete nicht.
    » Warum jagst du nicht einfach das Stadion in die Luft, und gut ist es?«
    » Das Stadion, oh ja. Es wird die Krönung meines kleinen Theaters. Sozusagen die Dornenkrönung.« Wieder kicherte der Journalist. » Danach wird die ganze Welt beginnen zu begreifen!«
    » Was? Dass ihre Götter nicht vorhaben, sie vor dir zu beschützen?«
    Ein verblüffter Laut entwich Hesse, dann schwieg er eine Weile. » Ihr habt das Video gesehen, das ich an N24 geschickt habe.«
    » Natürlich. Verrätst du mir, was du damit bezweckst?«
    » Ich werde es auf der großen Leinwand abspielen, kurz bevor die Bomben explodieren. Irgendjemand filmt immer, wenn eine solche Katastrophe geschieht. Und dieses Video landet dann im Internet. Schön groß wird sie zu sehen sein, meine Frage an die Welt, Faris. Warum lassen eure Götter das zu? Gleich darauf die Explosion, die das Stadion pulverisiert. Die Menschen werden endlich anfangen, ihre Götter zum Teufel zu jagen! Verzeih das Wortspiel.«
    Im War Room war hektisches Gemurmel ausgebrochen.
    Faris blinzelte. Sein Kopf schmerzte, und wenn er kurz die Augen schloss, sah er blutrote Funken in alle Richtungen davonstieben. » Bis zum Papstgottesdienst sind es noch…«, er sah auf die Uhr, » …knapp elf Stunden. Was geschieht bis dahin, Niklas?«
    Darauf reagierte Hesse nicht. Stattdessen meinte er: » Weißt du, was im Moment im Stadion stattfindet? Ein Taizégottesdienst. Sie singen, Faris. Ich befürchte, ich muss meinen Zeitplan etwas überarbeiten. Natürlich hätte ich mir für das feurige Finale den Papstgottesdienst gewünscht. Aber Gott hat anders entschieden.« Er kicherte. » Ich schätze einmal, die Ränge sind schon jetzt zu ungefähr zwei Dritteln gefüllt. Weißt du, wie viele Menschen das sind? Rechne mal!«
    Faris wollte etwas erwidern, aber er kam nicht mehr dazu.
    Hesse hatte die Verbindung unterbrochen.
    » Das ist doch idiotisch!«, sagte Shannon jetzt dichter am Mikrofon, sodass Faris sie deutlich verstehen konnte. Tief in seinem Innersten empfand er Bedauern. Bedauern darüber, dass es den Niklas Hesse, den er einmal gekannt hatte, nicht mehr gab. Er versuchte sich vorzustellen, was in Afghanistan geschehen war. Die Steinigung einer

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