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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Frau mit ansehen zu müssen, die man liebte… Es fiel ihm schwer, sich das vorzustellen. Ganz kurz blitzte Lauras Gesicht vor seinem geistigen Auge auf. Sie befand sich in den Händen dieses Geisteskranken! Er musste sich konzentrieren, wenn er sie retten wollte!
    » Er ist durchgeknallt«, murmelte er. » Total durchgeknallt.«
    » Er zeigt deutliche Anzeichen von wahnhaften Vorstellungen«, stimmte ihm Tromsdorff zu. » Er glaubt, er habe eine Mission.«
    Und Marc fügte an: » Er glaubt wirklich daran, dass er die Menschheit dazu bringt, die Religionen abzuschaffen, oder?«
    » Die Menschen beschäftigen sich seit Jahrhunderten mit der Theodizeefrage«, sagte Shannon. » Bisher hat noch keine Katastrophe– egal, ob sie von Menschen verursacht wurde oder durch die Natur– sie dazu gebracht, ihren Glauben grundsätzlich infrage zu stellen.«
    Einen Moment lang schwiegen sie alle betroffen.
    Wütendes Hupen, das hinter Faris ertönte, zwang ihn, sich auf die Straße zu konzentrieren. Er war immer langsamer geworden, stellte er fest und gab jetzt wieder Gas. Der Fahrer, der ihm beinahe hintendrauf gefahren wäre, überholte ihn und zeigte ihm den Mittelfinger. Faris verzichtete darauf, sich bei ihm mit einem Handzeichen zu entschuldigen. » Ihr habt gehört, dass er Laura in seiner Gewalt hat.«
    Tromsdorffs Stimme war flach. » Haben wir. Ich habe Andersen unterrichtet. Die GSG 9 ist seit Stunden einsatzbereit. Er setzt sie in diesem Moment in Marsch. Wo bist du?«
    Faris ahnte die eigentliche Aussage, die hinter seinen Worten lauerte.
    Keine Alleingänge!
    Er knirschte mit den Zähnen. Gerade fuhr er von der Stadtautobahn herunter und bog rechts in den Tempelhofer Damm ein. Eine ältere Frau überquerte die Fahrbahn direkt vor seinem Auto. Er musste bremsen, um sie nicht zu überfahren, und in Gedanken bedachte er die Frau mit den wüstesten Flüchen, die ihm einfielen. Laut sagte er: » Gleich da. Hesse ist nicht dämlich, bestimmt hat er Kameras aufgestellt oder so. Die Kollegen schaffen es nie im Leben, den Laden zu stürmen, bevor er auf den Auslöser gedrückt hat.«
    » Trotzdem!« Tromsdorff schwieg einige Sekunden. » Das hier überstehen wir nur als Team, Faris! Hast du gehört? Als Team!«
    Faris schwieg.
    » Melde dich bei den Kollegen, bevor du reingehst! « , befahl Tromsdorff.
    ***
    Die Stimmung im Olympiastadion war einfach großartig, und ebenso großartig fühlte sich Jenny. Sie war hier, auf diesem Kirchentag, an ihrer Seite befand sich der tollste Typ, den sie je in ihrem Leben kennengelernt hatte.
    Sie warf Dennis einen vorsichtigen Seitenblick zu.
    Nachdem er sie gestern Nacht– heute Morgen, korrigierte sie sich, es war schon Morgen gewesen– auf der Parkbank fast bis zur Besinnungslosigkeit geküsst hatte, hatte er sich schwer atmend von ihr gelöst. » Nicht hier«, hatte er gekeucht. » Nicht so!«
    Jenny war im ersten Moment enttäuscht gewesen, aber dann hatte sie eingesehen, dass er recht hatte.
    Heute Abend! Heute würde es endlich geschehen. Dennis hatte ein Hotelzimmer gemietet! In ihrem Leib kribbelte alles allein bei dem Gedanken daran, ihr erstes Mal mit ihm zu erleben.
    Ihre Finger krampften sich um das Knicklicht, das an ihrem Hals baumelte.
    Dennis bemerkte ihren Blick. Er lächelte ihr zu und nahm ihre Hand. Seine Haut war warm und ein bisschen rau.
    Vorne auf der großen Bühne, die in ein paar Stunden der Papst betreten würde, sang ein riesiger Gospelchor Taizélieder. Gerade war ein französisches dran.
    C’est toi, ma lampe, Seigneur …
    Jenny summte die vertraute Melodie mit.
    Aber das Einzige, an das sie denken konnte, war das, was heute Abend geschehen würde.
    ***
    Die Kollegen von der 632. und der GSG 9 hatten in Reichweite des Flughafens eine mobile Einsatzzentrale eingerichtet, und wie befohlen meldete Faris sich dort. Es gab einige Diskussionen, ob man ihn wirklich allein in das Gebäude gehen lassen sollte, aber Hesse verlangte, mit Marvin Andersen zu sprechen, und er machte ihm klar, dass er am längeren Hebel saß. Wie von Hesse befohlen, betrat Faris also das Flughafengebäude allein und durch denselben Eingang, den er gestern mit dem Reporter zusammen benutzt hatte. Gleich darauf fand er sich in der riesigen Abfertigungshalle wieder. Er hatte die Waffe gezogen. Diesmal war das Gefühl von Endzeitstimmung so überwältigend, dass ihm seine Pistole bleischwer vorkam.
    » Schön, dich zu sehen.« Hesses Stimme hallte in dem weitläufigen Gebäude wider. Er

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