40 Stunden
wollten sie einen Schutzwall um ihn bilden, und er war ihnen dankbar dafür.
» Dazu kommen wir gleich«, wehrte Hesse gelassen ab. » Sag mir erst, wie du es herausgefunden hast.«
Faris begegnete Gittas Blick. » Ich war es nicht. Gitta hat erfahren, dass deine Mutter eines der Opfer des Museumsbombers war. Hör zu, Niklas, ich verstehe, dass du mir die Schuld an ihrem Tod g…«
» Du bist wirklich immer noch der Alte«, fiel Hesse ihm ins Wort. » Stets bereit, die Schuld der Welt auf deine eigenen Schultern zu laden, was?« Er kicherte, ein Geräusch, das Faris eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Es ließ Hesse fremd wirken, wie einen Menschen, den Faris noch nie zuvor getroffen hatte. Das dort am anderen Ende der Leitung war nicht mehr der Freund, den er gekannt hatte. Irgendwann in den vergangenen Monaten – in der Zeit, über die er nicht mal mit Faris gesprochen hatte – musste sich Niklas Hesse in jemand anderen verwandelt haben. Und mit diesem anderen zu sprechen war, als blicke Faris in einen unendlichen pechschwarzen Abgrund. Um nicht hineinzustürzen, hielt er sich an Gittas Blick fest.
» Warum das alles, Niklas?«, fragte er erneut.
» Oh! Wir haben noch genug Zeit, um ausführlich zu plaudern, mein Lieber. Jetzt will ich aber erst mal, dass du tust, was ich sage.«
Faris schaute zu Tromsdorff. Dessen Lippen hatten sich in eine schmale Linie verwandelt. Mit schiefgelegtem Kopf lauschte er den Worten Hesses, die nicht nur aus Faris’ Smartphone, sondern auch aus dem Lautsprecher von Bens Geräten erklangen. Und als Faris ihm nun in die Augen sah, da entdeckte er eine Härte in ihnen, die zuvor nicht da gewesen war.
» Du weißt inzwischen, wo das Kreuz steht, oder?«, fragte Hesse.
Vor Faris’ geistigem Auge erschien die weitläufige Abfertigungshalle des alten Flughafens, und mit einem Mal begriff er, was der Grund für die Endzeitstimmung gewesen war, die er dort empfunden hatte. Noch jetzt, Stunden später, rann ihm eine Gänsehaut über den Rücken. » Tempelhof«, murmelte er.
» Gut.« Hesse wirkte zufrieden. » Ich möchte, dass du in spätestens einer Stunde hier bist!«
» Warum erst in einer Stunde?«, fragte Faris. Bis zum Flughafen würde er zwanzig, wenn es hochkam dreißig Minuten brauchen.
Hesse antwortete nicht. » In einer Stunde«, wiederholte er. » Dann bist du hier.«
Ben schauderte. » Was soll das werden? Ein Duell oder was?«
Erneut suchte Faris Tromsdorffs Blick. Was soll ich tun?
Tromsdorff wirkte unschlüssig.
» Du wirst allein kommen, Faris«, drang Hesses Stimme in das allgemeine Schweigen. » Und wenn du da bist, betrittst du den Flughafen auf demselben Weg, den wir gemeinsam genommen haben. Wenn du nicht tust, was ich sage, dann fliegt die nächste Bombe in die Luft.«
» Was hast du vor?« Faris verspürte das Bedürfnis, sich zu setzen, aber er kämpfte dagegen an. Er hatte Angst, dass es ihm nicht gelingen würde, wieder aufzustehen. Herausfordernd blickte er Tromsdorff an.
Lass mich gehen!, formte er lautlos mit den Lippen.
Tromsdorff zögerte noch immer. Faris ahnte, was in ihm vorging. Es widersprach allen Dienstvorschriften, einen Ermittler in einem solchen Fall allein gehen zu lassen. Es könnte sie alle den Job kosten, wenn er jetzt zustimmte. Die SERV stand auf dem Spiel.
Ebenso wie das Leben von Hunderten, ja vielleicht Tausenden von Menschen.
In Faris kribbelte Ungeduld. Am liebsten wäre er auf der Stelle aus dem Raum gestürmt und hätte sich in seinen Wagen geschwungen. Doch er hielt aus, wartete auf Tromsdorffs Entscheidung.
Hesse schien das Zögern zu bemerken. » Ich überlege gerade, wo die nächste Bombe hochgehen könnte. Was wäre mit dem Bankenviertel? Dort arbeiten heute zwar nicht so viele Leute, aber ein kleiner Anschlag auf die Deutsche Bank dürfte einige Auswirkungen auf den Aktienindex haben, was meinst du?« Er überlegte einen Moment. » Oder wie wäre es, wenn der Leuchtstab hochgeht, den Lilly…«
» Wage es nicht!« Die Worte schmerzten in Faris’ Kehle, so scharf sprach er sie aus. » Wenn ihr etwas passiert, dann…«, drohte er und flehte im Stillen, dass die Kollegen, die Tromsdorff geschickt hatte, Laura erreicht und in Sicherheit gebracht hatten.
Hesse lachte nur und legte auf.
Unterdessen hatte Tromsdorff eine Entscheidung gefällt. Er wandte sich ab, marschierte in sein eigenes Büro und kehrte einige Minuten später mit Faris’ Waffe zurück. Schweigend hielt er sie Faris hin. » Für alle
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