40 Stunden
Fälle.«
Faris steckte die Waffe in seinen Hosenbund. Sein Holster hatte er am Morgen nicht wieder angelegt. Dann wandte er sich zum Gehen.
» Warte!« Ben hob einen Arm und hielt Faris so zurück. » Wenn du Ellwanger und das Kreuz findest, dann kannst du die Bomben ganz einfach entschärfen.«
» Indem ich den Monitor ausschalte, ich weiß.« Faris erinnerte sich an Bens Ausführungen.
» Ja, aber die Bomben, die der Mistkerl direkt zündet, kriegen wir damit nicht in den Griff.« Ben ließ das Gesagte im Raum stehen, bevor er hinzufügte: » Wenn du Hesse vor dir hast, erschieß ihn!«
Faris spürte, wie sich in ihm ein pechschwarzes Loch auftat. » Wir werden sehen«, murmelte er.
Kurze Zeit später saß er in dem BMW und bog aus der Keithstraße in die Kurfürstenstraße, als Hesse wieder anrief. Ben hatte eine Konferenzschaltung eingerichtet, damit auch seine Kollegen im War Room mit Hesse reden konnten. Und er hatte Faris ein In-Ear-Headset gegeben, sodass Faris telefonieren und gleichzeitig mit beiden Händen das Lenkrad halten konnte. Es war bitter nötig, denn er zitterte so sehr, dass er kaum den Zündschlüssel ins Schloss bekommen hatte.
» Erklärst du mir nun, warum du das alles tust?«, fragte er, während er sich bemühte, keine Schlangenlinien zu fahren. Das Letzte, was er jetzt brauchte, war die Aufmerksamkeit einer Verkehrsstreife.
» Du hast es doch schon selbst erklärt«, antwortete Hesse. Faris dachte an das Büro des Reporters, das in die Luft geflogen war. Was dazu geführt hatte, dass Hesse niemals auch nur in den Kreis der Verdächtigen geraten war. » Meine Mutter ist bei dem Attentat…«
» Das ist Bullshit!«, unterbrach Faris zornig. Wenn er genau hinhörte, konnte er die Geräusche aus dem War Room wahrnehmen. » Ich kenne dich gut, vergiss das nicht!« Er besann sich, bevor er fortfuhr. » Dein Verhältnis zu deiner Mutter war alles andere als herzlich.« Er erinnerte sich an einen Abend auf der Polizeiakademie, an dem er mit Hesse zusammengesessen und sie über ihre Familien geredet hatten. Und er hatte auch nicht den Tag vergessen, als Hesse ihm verraten hatte, dass seine Mutter ihn mit fünf Jahren fortgegeben hatte. Weil sie keinen Bock mehr auf ihn gehabt hatte, so hatte er es formuliert. Faris hatte aus den Worten herausgelesen, dass sie mit ihrem Sohn nicht mehr zurechtgekommen und er ihr deshalb weggenommen worden war. Aber er hatte Hesse nicht widersprochen, denn er wusste, wie dringend manchmal tiefer Zorn nötig war, um an einer Situation nicht zugrunde zu gehen. Hesse hatte seine Mutter gehasst. Ihretwegen hatte er seine Kindheit im Heim verbracht. Es gab also keinen Grund für ihn, an ihrem gewaltsamen Tod im Museum zu verzweifeln.
» Du kennst mich?«, zischte Hesse. Obwohl der Stimmverzerrer ausgeschaltet war, klang seine Stimme jetzt noch fremder in Faris’ Ohren. Irre. Und hasserfüllt. » Du kennst mich, behauptest du? Wie kommst du darauf? Du kanntest vielleicht den Niklas, der zusammen mit dir auf der Polizeischule war.«
Faris setzte den Blinker und bog rechts in die Potsdamer Straße ein. Das Gefühl, dass er mit einem völlig Unbekannten redete, verstärkte sich durch Hesses Zornesausbruch noch einmal. Er fuhr unter einer Brücke hindurch.
» Wusstest du, dass ich nicht lange in Wiesbaden gearbeitet habe?«
» Nein. Du hast dich immer gewei…«
» Lass ihn reden, Faris«, ließ sich Tromsdorff über die Konferenzschaltung vernehmen, und Faris ahnte, was er damit erreichen wollte.
Solange er redet, drückt er nicht auf den Auslöser.
Hesse lachte amüsiert, als auch er Tromsdorffs Stimme hörte.
Und dann redete er. » Ich war ein paar Monate an der Akademie, und dann hat man mich gefragt, ob ich Lust hätte, an der Ausbildung von Polizisten in Afghanistan mitzuwirken.«
» Und du hast zugestimmt.« Faris blieb an einer roten Ampel stehen. Vor ihm stand ein protziger dunkelblauer Mercedes. Auf seiner Heckscheibe klebte ein Sticker mit dem Spruch Kein Balg mit dämlichem Vornamen an Bord.
» Das habe ich«, bestätigte Hesse. » Ich bin nach Afghanistan gegangen, in die Provinz Balch, und ich habe geholfen, die Leute dort auszubilden.« Er holte so tief Luft, dass es wie ein Seufzen klang. Dann schwieg er lange.
Die Geräusche aus dem War Room drangen an Faris’ Ohr. Die Kollegen diskutierten miteinander, aber es war nicht zu verstehen, worüber sie sprachen.
Faris fuhr unterdessen die Potsdamer Straße entlang. Als Hesse noch immer
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