40 Stunden
im Raum, dass Geiger immer wieder Versuche unternahm, die SERV abzuschaffen und ihre Kompetenzen in die Hände der Abteilung Staatsschutz zu übertragen. Sie war eine große Bewunderin der amerikanischen Kriegsführung gegen den Terror, und Faris erinnerte sich an ein scharfes Streitgespräch zwischen ihr und Tromsdorff, in dem es um die Frage der Abgrenzung zwischen Kriegshandlung und Verbrechensbekämpfung gegangen war– und um den umstrittenen National Defense Authorization Act, den der amerikanische Präsident vor einigen Jahren unterzeichnet hatte. Bisher war es Tromsdorff stets gelungen, durch geschicktes Taktieren und auch durch Nutzung seines in höchste Kreise reichenden Netzwerkes Geigers Attacken gegen die SERV abzuwehren.
Jetzt berichtete er ihr mit knappen Worten von den Anrufen, die Faris erhalten hatte, und klärte sie auch über den Inhalt des Videos auf und über die Schlüsse, die sie bereits daraus gezogen hatten.
» Gibt es jemanden in diesem Raum, der Herrn Iskanders Aussagen bestätigen kann?«, fragte Geiger.
Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte Andersen sie an. » Wie meinst du das?«
» Ich frage mich, ob noch jemand anderes mit diesem geheimnisvollen Anrufer gesprochen hat.«
» Nein«, antwortete Tromsdorff. » Warum…«
» Wir haben also nur die Aussage von Herrn Iskander…«
» Kriminaloberkommissar Iskander«, fiel Paul ihr ins Wort.
Ihr Kopf ruckte zu ihm herum, und kurz bohrte sich ihr Blick in den seinen. » Wir haben also nur die Aussage von Herrn Iskander«, wiederholte sie und betonte nun ihrerseits das Wort Herr, » dass es diesen Anrufer tatsächlich gibt.«
» Was wollen Sie damit sagen?«, entfuhr es Faris. Er sprang auf die Füße, aber setzte sich sofort wieder, weil ihm schwindelig wurde.
» Ja, Anke, was?«, erkundigte sich nun auch Tromsdorff. Seine Miene war finster, und Faris konnte ihm ansehen, dass er über das Verhalten seiner Vorgesetzten empört war. Ihnen rannte hier die Zeit davon, und statt sich mit dem Fall zu befassen, mussten sie sich mit den Phobien dieser Frau auseinandersetzen!
» Robert«, seufzte sie, als spräche sie mit einem begriffsstutzigen Kind. » Ich habe gleich eine Pressekonferenz, weil in der Berliner U-Bahn eine Bombe hochgegangen ist! Es gibt euren Erkenntnissen nach eindeutige Drohungen gegen den Kirchentag. Was glaubst du, werden die Leute sagen, wenn herauskommt, dass wir einen…« Sie stockte kurz. Muslim, dachte Faris, doch Dr. Geiger war nicht so dumm, sich eine deutliche Blöße zu geben. Sie schluckte das Wort, das ihr auf der Zunge gelegen hatte, herunter und fuhr fort: » …einen suspendierten Beamten in die Ermittlungen eingebunden haben?«
Faris schloss die Augen. Damit hatte sie ihren größten Trumpf ausgespielt, und sie wusste es.
» Haben Sie Ihren Kollegen gegenüber alles gesagt, was Sie wissen?«, fragte sie Faris.
Widerstrebend nickte er, erst danach öffnete er die Augen wieder. » Aber ich habe es noch nicht offiziell zu Protokoll gegeben.«
» Gut. Dann will ich, dass Sie das nachholen und dann diese Räumlichkeiten verlassen. Sie sind suspendiert, und Sie haben bei diesen Ermittlungen über Ihre Rolle als Zeuge hinaus nichts verloren.«
Faris suchte Tromsdorffs Blick und las Bedauern in dessen Miene. Er rechnete es ihm hoch an, dass sein Vorgesetzter dennoch einen letzten Versuch startete: » Faris ist mein bester Ermittler, Anke, und wir brauchen ihn hier! Du kannst seine Suspendierung aufheben. Du darfst ihn nicht wegschicken!«
Ein scharfkantiges Lachen war die einzige Antwort, die Geiger darauf gab.
» Der Anrufer hat sich mit ihm in Verbindung gesetzt«, wandte nun Paul ein. » Es wird einen Grund dafür geben.«
Das brachte Geiger dazu, Faris’ Smartphone anzuschauen, das noch immer neben Bens Laptop auf dem Tisch lag. » Ist das Ihr Telefon?«, fragte sie Faris.
Er nickte grimmig. Wenn er in diesem Moment den Mund aufgemacht hätte, hätte er sie angeschrien, das spürte er.
» Lassen Sie es hier!«, befahl Geiger.
» Was ist, wenn er wieder anruft?«, warf Ben ein. » Und Faris geht nicht ran?«
Die Frage stand im Raum, und alle blickten Dr. Geiger abwartend an. Bevor die jedoch das Wort ergriff, klingelte Bens Handy. Er nahm den Anruf an.
» Ja?« Er lauschte einen Augenblick. » Hab ich mir schon gedacht«, erklärte er dann. Gleich darauf weiteten sich seine Augen. » Sag das nochmal!«
Erneut hörte er zu, was die Person am anderen Ende sagte.
» Scheiße«, fluchte er. »
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