40 Stunden
Bilder vom Wohnzimmer«, erklärte Marc. » Jetzt kommt das Schlafzimmer von Alexander.«
Die Bilder wandelten sich nun, zeigten nicht mehr den düsteren Raum mit den dunklen Möbeln und den grausamen Gemälden, sondern eine Kammer mit einem schlichten Bett aus Kiefernholz, kahlen Wänden und einem ungewöhnlich ordentlichen Schreibtisch. Auf ihm befand sich nichts außer einer Schreibtischunterlage aus Papier, einem sehr flachen, silbernen Laptop und einem kleinen bronzenen Standkruzifix. Die folgenden Bilder zeigten den Raum in sämtlichen möglichen Perspektiven. Seine Kahlheit war fast noch unheimlicher als die Überladenheit des Wohnzimmers. Auf Faris wirkte das Zimmer wie ein stummer Schrei.
» In dieser Wohnung muss man ja irgendwann den Verstand verlieren«, murmelte Ira.
» Der Computer«, sagte Ben. Er klickte einige Bilder zurück und wies auf den silbernen Laptop auf Alexanders Schreibtisch. » Vielleicht enthält der etwas Brauchbares. Habt ihr ihn beschlagnahmt?«
Marc zog das flache Gerät aus der Kiste. » Hier.«
Ben nahm es ihm ab, klappte es auf und schloss es an die Stromversorgung auf dem Falltisch an. Während er sich daranmachte, die Festplatte durchzusehen, machte sich Shannon über die Bücher her, die ebenfalls in der Kiste lagen. » Ein Haufen evangelikales Zeug«, sagte sie. Sie stieß auf ein Buch, das mit Hunderten von gelben und grünen Post-it-Zetteln versehen war. » Das sieht schon mal vielversprechend aus.« Ohne sich weiter um den Rest des Teams zu kümmern, ging sie zu ihrem unordentlichen Schreibtisch. Ira machte ihr Platz. Shannon griff sich ihren Tennisball und schlug das Buch an der ersten gekennzeichneten Stelle auf.
» Sonst war nichts in der Wohnung, was uns interessant vorkam«, erklärte Marc. » Der Keller war penibel aufgeräumt und enthielt nur zwei Fahrräder. Aber eines haben wir noch gefunden. Einen Mietvertrag für einen Schrebergarten.«
Ein elektrischer Schlag durchfuhr Faris. » Ellwanger hat einen Schrebergarten?«
Marc zog einen Notizblock aus der Tasche, blätterte darin herum, bis er die Seite fand, die er suchte. » Ja. In der Gartenkolonie am Flugplatz. So heißt der Verein. Muss irgendwo in der Nähe von Tempelhof sein.«
Faris und Paul tauschten einen Blick.
» Könnte sein«, meinte Paul betont ruhig, » dass wir da das Kreuz finden.«
» Genau.« Faris stand auf. » Ich würde vorschlagen, wir sehen uns da mal ein bisschen um!«
Alexander
WAS WAR SCHLIMMER ? Ganz sanft war die Stimme des Engels, und doch erzitterte Alexander unter der Unbarmherzigkeit, mit der er ihn zwang, all das Grausame noch einmal zu durchleben.
» Warum tust du das?«, fragte er.
Die Antwort, die er erhielt, verstand er nicht: DAMIT DIE WELT BEGREIFT . JETZT ERZÄHL : WAS WAR SCHLIMMER !
» Er hat mich nicht geschlagen«, berichtete Alexander. » Das wäre leicht auszuhalten gewesen. Aber er tat es nicht, obwohl ich ihn angefleht habe.«…
» Nein!«, schluchzt Vater. » Ich kann es nicht mehr. Du musst es für mich tun!« Die Geißel liegt in seiner Hand, das Blut daran ist längst eingetrocknet, weil viele Tage vergangen sind, seitdem er sie das letzte Mal benutzt hat.
Alexander weicht zurück. » Nein, Papa. Bitte nicht!«
Doch Vater setzt nach. Sein Gesicht ist grau und eingefallen. Alexander kann den Teufel sehen, der hinter seinen Augen sitzt. Zögernd streckt er die Hand aus. Nimmt die Geißel.
Sie wiegt schwer in seiner Hand.
» Verlang das nicht von mir!«, bittet er. Tränen rinnen seine Wangen hinunter, nässen sein gesamtes Gesicht.
» Tu es!« So flehentlich sieht sein Vater ihn an, dass er endlich nachgibt.
Und die Geißel über den Kopf schwingt …
ER HOFFTE , DURCH DIE GEISSELUNG ERLEICHTERUNG VON SEINEN SÜNDEN ZU ERLANGEN . Ganz leise war die Stimme des Engels nun. Voller Trauer.
Alexander nickte. » Aber es gelang nicht. Die Last auf seinen Schultern wurde nicht leichter. Und er wusste warum.« Er hielt inne, wartete darauf, dass der Engel für ihn weitersprach.
Doch der Engel schwieg.
» Er hat gesagt, dass die Last, die er spürt, die Last der ganzen Welt ist.«
ER GLAUBTE , SELBST CHRISTUS ZU SEIN .
Alexander schüttelte den Kopf. » Nein. Er hat versucht, es mir zu erklären, aber ich habe es nicht verstanden. Völlige Identifikation mit Christus, so nannte er es. Es ist der einzige Weg, seine Sünden loszuwerden.«
DAS WAR DER MOMENT , IN DEM ER ANFING , VON DIR ZU VERLANGEN , IHN ZU KREUZIGEN ?
Alexander senkte den Blick.
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