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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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zu reden, ihn dazu zu bringen, sich seinem Vater zu widersetzen. Aber er tat es nicht. Er wagte es nicht einmal, ihm in der Öffentlichkeit zu widersprechen.«
    » Er hat ihm wahrscheinlich nie widersprochen«, vermutete Paul. » Haben Sie eine Ahnung, ob Werner Alexander misshandelt hat?«
    » Körperlich, meinen Sie?«
    Er nickte.
    Ira zuckte die Achseln. » Nein. Ich meine, ich weiß es nicht.« Sie dachte nach. » Alexander ist ein fast erwachsener Mann. Würde er sich nicht wehren?« Die Frage war ihr entschlüpft, bevor sie begriff, was sie gesagt hatte. Ihre Augen rundeten sich, ihr Blick huschte zu dem Bild des Gekreuzigten an der Wand empor, und ein erschrockenes » Oh!« rutschte ihr heraus. Sie wurde sehr blass.
    » Er hat sich gewehrt«, murmelte Shannon. » Auf seine Weise.«
    Ira schlug die Hand vor den Mund.
    » Es ist ganz typisch«, sagte Paul. » Ein Mensch, der seit seiner Kindheit unter Misshandlungen leidet, hat drei Wege, darauf zu reagieren.« Er reckte die Finger in die Höhe und zählte die Möglichkeiten daran ab. » Entweder er verdrängt das Böse. Oder er wird zu einem rigorosen Pazifisten. Oder aber, und das kommt häufig genug vor, er wird selbst gewalttätig.«
    » Aber einen Menschen… kreuzigen…« Iras Stimme war nur ein Hauch.
    Im nächsten Moment wurde die Tür aufgestoßen, und Marc stürmte herein. Er wirkte abgehetzt und verschwitzt und trug eine Kiste, die vollgepackt war mit Büchern und Gegenständen verschiedenster Art.
    » Ich komme direkt aus Ellwangers Wohnung.« Er schob einige von Bens Gerätschaften zur Seite und stellte seine Kiste auf den Falltisch. » Ihr glaubt nicht, wie es dort aussieht!« Er nahm eine Kamera heraus und reichte sie Ben. Ohne Fragen zu stellen, schloss der Techniker sie an seinen Laptop an.
    Nur wenige Sekunden später warf der Beamer das erste der Fotos an die Leinwand, die in Werner Ellwangers Wohnung aufgenommen worden waren.
    » Du lieber Gott!«, stöhnte Ira, und während Bild um Bild aufschien, wiederholte sie wieder und wieder: » Du lieber Gott!«
    Alexander
    DIE GARTENLAUBE , erinnerte der Engel Alexander. Obwohl er eine Weile fort gewesen war, nahm er nun das Gespräch wieder auf, als seien in der Zwischenzeit nur Sekunden vergangen.
    ERZÄHL MIR VON DER GARTENLAUBE !
    Aber Alexander konnte nicht. Sein Kopf dröhnte von all den furchtbaren Erinnerungen, die er tief in sich vergraben hatte und die der Engel mit seinen beharrlichen, gnadenlosen Fragen zurück ans Tageslicht beförderte.
    Er presste sich die Hände auf die Ohren, kniff die Augen fest zusammen. » Nein!«, wimmerte er. » Bitte nicht!«
    WAS GESCHAH IN DER GARTENLAUBE ?, hakte der Engel unerbittlich nach.
    » Die…« Alexander hatte Mühe, die Worte durch seine Kehle zu zwängen. » Die Geißeln.«
    ER HAT DICH GESCHLAGEN ?
    » Nein.« Der Gedanke war so absurd, dass Alexander die Augen überrascht aufriss. » Er hat mich niemals geschlagen.«
    Der Engel schwieg. Alexander hatte das Gefühl, dass ihn das Gesagte überrascht hatte.
    WAS HAT ER SONST GETAN ?
    Alexander schluckte. » Er hat sich selbst gegeißelt. Zur Vergebung seiner Sünden.« Die Bilder fluteten jetzt seinen Geist. Er sah all das Blut, an den Lederschnüren, auf dem Rücken seines Vaters, an den Wänden. Der Decke.
    Ihm wurde schlecht. Er würgte. Und er schämte sich.
    ES IST GUT , sagte der Engel. DU MUSST DICH NICHT SCHÄMEN .
    Doch er schämte sich trotzdem. Dafür, dass er so schwach war.
    WAS GESCHAH DANACH ?, fragte der Engel.
    » Danach?« Alexanders Knie zitterten, aber die Übelkeit war wieder verflogen. Sie hatte etwas anderem Platz gemacht. Kaltem Entsetzen, das ihm das Herz zusammenpresste wie eine Hand. » Danach wurde alles noch viel schlimmer«, flüsterte er.

21. Kapitel
    Ellwangers Wohnung glich einem Museum.
    Einem Museum für christliche Kunst.
    An den Wänden hingen Ölgemälde, die allesamt Kreuzigungsszenen zeigten. Es gab Kreuzigungsikonen, Kreuzigungen in Öl, Radierungen und moderne Kreidezeichnungen, die in ihrer drastischen Farbgestaltung fast noch brutaler wirkten als all die gegenständlichen Darstellungen.
    Während Ben Foto um Foto dieser makabren Privatsammlung aufrief, hielt Ira eine Hand auf den Mund gepresst. » Ich wusste, dass er ein bisschen seltsam im Kopf ist«, murmelte sie, als der Bilderreigen endlich zu Ende war. » Aber dass er so…« Sie verstummte mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Entsetzen. » Schlimm!«, flüsterte sie.
    » Das waren alle

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