41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
aus.
Pricard sah Marcel mit einfältigem Blick an und hob auffordernd eine Hand.
Marcel berichtete in allen Einzelheiten von seinem Besuch in Marseille (er ließ auch das üppige Frühstück im Familienkreis des unerfahrenen Polizeischülers nicht aus) und seinem Gespräch mit Hendrik. Er schmückte seinen Vortrag mit blumigen Details aus in der Hoffnung, Pricard würde sich davon beeindrucken lassen und nicht merken, wie dürftig seine Resultate waren. Er schloss mit einer ausführlichen Begründung, warum er es für unabdingbar hielt, Louises Haus vom Keller bis zum Dach einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen.
Als er fertig war und ihm beim besten Willen keine Ergänzungen mehr einfallen mochten, legte Pricard seine Hände langsam auf den Tisch, streckte die Unterarme knackend durch, senkte den Kopf und erklärte mit brüchiger Stimme der mit Bienenwachs aus der Provence polierten Tischplatte:
„Leiten Sie folgende Untersuchungen in die Wege: DNASpurenanalyse, Fingerabdrücke, vollständige Durchsuchung im gesamten Haus. Übersehen Sie keine Ritze, keine Fuge, keine Faser. Kümmern Sie sich auch um den Inhalt aller Kästen, Schubladen und Fächer. Sie finden sich am Freitag um Punkt zwölf Uhr mit dem gesamten Team der Spurensicherung und den Forensikern in der Rue Loubert Nummer 41 ein. Bis dahin habe ich hoffentlich alle Unterschriften und Anträge gesammelt, die wir benötigen. Madame Prousseau wird zu diesem Zeitpunkt bereits in Frankfurt weilen. Wir starten einen Überraschungsangriff und sie wird keine eventuellen Indizien beseitigen, weil sie sich sicher wähnt. Lassen Sie sie also bis dahin in Ruhe, verhalten Sie sich unauffällig und machen Sie nicht die Pferde scheu. Treten Sie ab.“
Pricard musste endlich ein Licht aufgegangen sein, anders konnte sich Marcel den plötzlichen Sinneswandel nicht erklären. Die Konsequenzen dieser Erleuchtung machten Pricard schwer zu schaffen, er war zutiefst verunsichert und befand sich in einer Art Schockzustand. Kein Wunder, war er doch als potenzielles Opfer mit dem Leben davongekommen. Marcel war zufrieden und wollte Pricard nicht auch noch eine Genehmigung für eine Überwachung und Nachforschung von Louises Telefon abringen. Er würde auch ohne diesen Eingriff ausreichende Beweise finden, mit denen er Louise überführen konnte.
Marcel tat wie ihm befohlen, er trat ab. Nun gab es endlich genug zu tun.
Pricard hob den Kopf, als er seine Bürotüre ins Schloss fallen hörte und griff mit einer schwerfälligen Handbewegung zum Telefon. Er musste dafür sorgen, dass er aus dieser Sache unbeschadet hervorging, auch wenn ihm dieser Anruf zuwider war, ja er fürchtete ihn geradezu. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, sein Herz schlug schnell und seine Hände wurden feucht. Er verspürte einen schmerzhaften Drang danach, Wasser zu lassen.
Nach dem zweiten Klingeln wurde auf der anderen Seite der Telefonleitung abgenommen.
„Am Freitag um sechs Uhr früh fährt der Putztrupp vor. Sorge dafür, dass das Tor geöffnet ist. Um zwölf Uhr kommt Marcel mit der Spurensicherung.“
Er legte auf, ohne eine Antwort abzuwarten. Daher konnte er auch das verächtliche Lachen Louises nicht mehr hören.
Alette
Alette stand an der rahmenlosen Fensterfront ihres Großraumbüros im vierzigsten Stockwerk des Wolkenkratzers ihrer Fluggesellschaft, blickte grüblerisch über Paris und nahm den Eiffelturm, der in der Ferne von der aufgegangenen Sonne mit goldenem Licht überflutet wurde, nur am Rande ihres Bewusstseins wahr. Sie hatte kaum geschlafen, was nur zum Teil am übermäßigen Alkoholgenuss während des Abends mit Louise lag. Sie hatte sich rastlos im Bett herumgewälzt, der Gedanke daran, nun rechtmäßige Besitzerin des Hauses Rue Loubert Nummer 41 zu sein, hatte sie in einen Zustand freudiger Euphorie gesetzt und nicht schlafen lassen. Nun schmiedete sie Zukunftspläne.
Sie würde mit ihrem ersparten Vermögen den gesamten Kellerbereich zu einem exklusiven Bordell umbauen, im Dachgeschoß würde ein Gourmetrestaurant eröffnet werden, damit es ihren honorigen Gästen an nichts fehlte. Sie würde ihren Beruf bei der Fluglinie aufgeben, sich ausschließlich ihren Geschäften widmen und von den Einnahmen sorglos leben können. Marta und Louise würden selbstverständlich ihre Wohnungen behalten.
Wenn sie an Louise dachte, empfand sie ein beklommenes Gefühl der Rührung. Bis an deren Lebensende würde sie sich um Louise kümmern, sollte sie alt und
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