41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
bedingungslos. Er würde blind alles glauben, was Louise ihm erzählen würde.
Marcel dankte Hendrik für das Essen, seine Zeit und die Informationen, die er ihm gegeben hatte und machte sich aus dem Staub, bevor möglicherweise Luc nochmals auf der Bildfläche erschien, um sich sabbernd über den Nachmittagskuchen herzumachen.
Hendrik begleitete ihn zum Gartentor, das direkt auf die Straße führte, wartete, bis Marcel hupend an ihm vorbeifuhr, winkte gemessen und eilte ins Haus, um Louise zu verständigen.
Louise
Der gesamte Mittwoch stand im Zeichen einer Merkliste, die zwar kurz ausgefallen war, doch jeder einzelne Punkt darauf erforderte sorgfältige, umsichtige und genaue Behandlung. Marta hatte Vormittagsdienst im Bistro, daher würde sie ihr Appartement heute nicht benutzen. Louise befreite ihren Laptop von der alten Korsage und zog damit vorübergehend in Martas Küche ein. Eine Störung wie das Klingeln des Telefons oder einen Kurzbesuch eines verzweifelten Ermittlungsleiters konnte sie momentan für ihre Vorhaben nicht gebrauchen. Sie plünderte Martas Kühlschrank, der lagenweise mit delikaten Schnittchen und eisgekühltem Prosecco gefüllt war. Louise fand, dass sie ausreichend Grund zum Feiern hatte und bediente sich entsprechend hemmungslos. Wenn sie mit ihrer Arbeit hier fertig war, würde sie bei Marta vorbeischauen, ihren Heißhunger gestehen und Marta dafür freigiebig entlohnen.
Sie stellte eine Internetverbindung her, schrieb den Code für ihr Ticket (nur Hinflug) nach St. Martin auf einen kleinen Zettel, löschte sämtliche E-Mails, wohl wissend, dass im schlimmsten Fall (aber davon ging sie nicht aus) ihre Tarnung auffliegen würde.
„Das Internet vergisst nie. Alles, was du tust, wird aufgezeichnet, gespeichert und kann überprüft werden“, hatte sie der Rastajunge bei ihrer ersten Einführungsstunde und einer selbstgedrehten (und dem Geruch nach zu schließen selbst befüllten) Zigarette gewarnt.
Da sie ausschließlich falsche Daten angegeben hatte, machte sie sich weiters keine großen Gedanken darum. Sie hatte auch nicht vor, ihre Accounts bei Banken, Reiseanbietern oder Onlineshops zu löschen. Wenn sie wie die vermissten Männer wie vom Erdboden verschluckt und aller Wahrscheinlichkeit am Frankfurter Flughafen selbst Opfer des irren Serienkillers geworden war, wie sollte sie dann noch in der Lage sein, irgendwelchen Aktivitäten im Netz nachzugehen? Die Betreiberfirmen würden davon ausgehen, dass sie gestorben war, wenn sie nicht mehr einkaufte oder ihre Mails nicht mehr las.
Ihre Tickets nach Frankfurt hatte sie am Morgen vom Reisebüro abgeholt, ein Großteil ihres Barvermögens war bereits unterwegs, eine größere Summe würde sie bei sich in der Handtasche tragen. Das Airporttaxi war bestellt und ihr Reisekoffer zum Packen geöffnet. Sie würde nur das Nötigste mitnehmen; Dinge, die sie lieb gewonnen hatte und die ihr am Herzen lagen.
Es war an der Zeit, sich von ihrem verschwiegenen Vertrauten der letzten Jahre zu verabschieden. Mit einem speziellen Schraubenzieher (ein kleines Geschenk von Rastaman) lockerte sie sämtliche Schrauben des Laptops und zerlegte sein Inneres in seine Einzelteile. Da sie Betriebsanleitungen stets aufmerksam studiert hatte, fand sie sogar die Festplatte auf Anhieb. Sie packte alle Einzelteile in eine Mülltüte und warf auch die leere Proseccoflasche, Servietten und den Schraubenzieher dazu.
Mit dem Müllsack in der Hand verließ sie Martas Wohnung, ging nach oben in ihre Töpferkammer, schüttete alle Teile in den Brennofen, stellte die Heizschalter auf Krematoriumstemperatur und verließ sich auf die zerstörerische Kraft der Hitze.
Marcel
Marcel arbeitete sich durch den dichten Nachmittagsstau im Schritttempo zum Präsidium vor. Er glaubte Hendrik. Der Mann hatte wahrhaftig und ernst geklungen, auch wenn er gegen Ende der Unterhaltung etwas nervös geworden war. Aber das lag wahrscheinlich daran, dass er ungern Einzelheiten zu Louises Privatleben preisgab.
Er kam eine Viertelstunde zu spät zu dem Termin mit Pricard und legte sich wortreiche Erklärungen zurecht, die selbstredend mit seinen intensiven Ermittlungen zu tun hatten. Er hätte sich die Mühe sparen können. Pricard saß an seinem leeren Schreibtisch, fahl und eingefallen im Gesicht, um Jahre gealtert und mit wirrem Haar. Er hatte Jacke und Krawatte abgelegt, die Schuhe ausgezogen und die ersten beide Knöpfe seines blütenweißen Uniformhemdes geöffnet. Er sah krank
Weitere Kostenlose Bücher