41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
gebrechlich werden. Louise sich alt und gebrechlich vorzustellen, war allerdings kaum möglich, eher hatte Alette das Bild vor Augen, wie Louise friedlich und mit sich und der Welt im Einklang eines Tages in hohem Alter in einem bequemen Kosmetikstuhl einschlafen würde, während der dunkelrote Lack an Fingerund Fußnägeln noch am Trocknen war. Doch sollte es erforderlich sein, für Louise Pflegepersonal einzustellen oder das Haus mit Treppenlift und Rampen zu adaptieren, würde sie auch dies tun. Für Louise kam nur das Beste in Frage. Dieser Gedanke führte sie direkt zu ihrer nächsten Überlegung, womit sie Louise eine Freude bereiten konnte. Sie würde sich nicht revanchieren können für Louises großartiges Geschenk, doch sie wollte zumindest ihrer Dankbarkeit Ausdruck verleihen. Dieses Unterfangen erwies sich als gar nicht so einfach. Louise war zufrieden mit ihrem Leben, an materiellen Dingen fehlte es ihr nicht und ihre geheimsten Wünsche kannte Alette nicht.
So kam sie auf das Naheliegendste, sie saß ja direkt an der Quelle. Sie würde dafür sorgen, dass Louise in Zukunft nur mehr erster Klasse von Paris nach Frankfurt fliegen und den Luxus genießen konnte, beim Check in, in der VIP Lounge am Flughafen oder vom Servicepersonal im Flugzeug stets bevorzugt behandelt zu werden. Diese Privilegien würden Louise bestimmt gefallen. Auch wenn die Flüge nicht lange dauerten, so würden sie doch um einiges komfortabler werden. Dies galt natürlich auch für den Fall, dass Louise die Lust verspüren sollte, auch andere Länder zu bereisen.
Alette loggte sich mit ihrem Passwort in den Firmencomputer ein und begab sich auf die Suche nach Louises Daten, die bei jedem ihrer Flüge aufgezeichnet und gespeichert worden waren. Als erstes fütterte sie das System mit Louises Namen. Der Suchvorgang dauerte nicht lange und als die Ergebnisse am Bildschirm erschienen, riss Alette erstaunt die Augen auf, den Mund zu einem ungläubigen Lächeln verzogen.
Louise war in den letzten fünfzehn Jahren sechsundvierzig Mal über ein Reisebüro nach Frankfurt geflogen. Dies allein wäre noch lange kein Grund zur Aufregung gewesen, wusste Alette doch über Louises Verwandte Bescheid. Was Alette Herzklopfen verursachte, war die Tatsache, dass Louises Konto außerdem noch achtzehn Flüge zu Zielen verteilt auf der ganzen Welt aufwies, die nicht ihrem Reisebüro, sondern Internetanbietern zugeschrieben waren. Alette konnte sich diese Ansammlung von Reisezielen nur so erklären, dass es sich hier um einen Irrtum handelte oder eine andere Person Louises Namen für den umtriebigen Flugverkehr missbraucht hatte. Ihr erster Impuls war, Louise anzurufen und sie zu diesen Ungereimtheiten zu befragen, doch dann fiel ihr ein, dass damit ihre VIP-Idee ja keine Überraschung mehr sein würde und sollte es sich bei der ganzen Sache um einen Irrtum handeln, wäre es darum schade.
Alette nahm die Sache selbst in die Hand und überprüfte jeden einzelnen Flug.
Die Sonne war gerade im Begriff, hinter dem Eiffelturm malerisch zu versinken, als sie sich mit steifem Rücken, pochenden Schläfen und verkrampften Fingern von ihrem Schreibtisch erhob und sich wieder an die gläserne Fensterfront begab. Ihre Recherchen und die Ergebnisse, die sie damit erzielt hatte, konnten nur eines bedeuten: Louise war seit fünfzehn Jahren nach Frankfurt geflogen, doch nicht, um hilflose Verwandte zu betreuen, sondern um die Welt zu erkunden. Sie hatte von Frankfurt aus ihre Destinationen gewählt und ihre Urlaube dort verbracht. Ihre letzte Reise führte sie vor fünf Jahren nach St. Martin und von da an gab es keine weiteren Buchungen außer der Route Paris – Frankfurt. Entweder hatte Louise ihre Fernreisen ab diesem Zeitpunkt aufgegeben oder sie wusste sich besser zu tarnen, weil sie nicht erkannt werden wollte. Und dies wäre nur mit einem anderen Namen und anderen Identitätsnachweisen möglich. Völlig absurd. Aber warum sollte sie das Reisen aufgegeben haben? Hatte Louise überhaupt Verwandte? War es tatsächlich möglich, dass sie vor aller Augen unverhohlen ein Doppelleben führte?
Warum sollte sie dies wollen? Sie war niemandem eine Erklärung über ihre Aufenthalte schuldig und konnte tun und lassen, was sie wollte! Warum diese Heimlichkeiten? War die Ursache für Louises geheimnisvolles Handeln vielleicht bei den verschwundenen Männern zu suchen?
Was auch immer der Grund sein mochte, Marcel hatte Louise bereits scharf im Visier. Wenn er gründliche
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