41 - Scorpio in Flammen
werden.«
»Es muß etwas getan werden«, stieß Delia hervor. »Und zwar sofort!«
Ein Schrei aus einem Ausguck durchschnitt die Luft. Es war nicht zu verstehen, was dort gerufen wurde. Jeder spürte das Entsetzen, das in dem wilden Schrei lag, und wir alle blickten in den strahlend hellen Himmel.
Dort oben schwebte er, der Erzdämon, saß auf seinem Thron und schaute auf uns Sterbliche herab. Der Thron sah so aus, wie ich ihn beim letzten Mal gesehen hatte, mitsamt den angeketteten nackten Mädchen und wilden Tieren, mit dem Gefunkel der Edelsteine und des Goldes. Eine von gelbem Licht durchdrungene Wolke schwebte unter dem Thron, und überall zuckten feurige Funken und Bruchstücke in der Form von Blitzen hervor, blau, grün und gelb. Er bot ein Bild des Schreckens und der Pracht, der Macht und der Vergeltung. Die furchteinflößende Geistererscheinung strahlte ein Licht aus, das sich verbreiterte und die Stadt und die kämpfenden Heere einschloß. Von dem Stuhl lösten sich Blitze aus lebendem Feuer. Überall stürmten die Streitkräfte der Shanks siegreich voran.
Beherrscht hob Seg den Bogen, standfest inmitten des Schrecken.
»Nutzlos, Seg«, sagte Deb-Lu. »Es gibt nur eine Möglichkeit.« Er wandte sich um und sah mich mit einem langen eindringlichen Blick an. Delia packte meinen Arm, und ich spürte ihr Zittern. »Dray – bist du zu dem Wagnis bereit?«
»Wenn es die einzige Möglichkeit ist«, sagte ich, »dann laß es uns tun!«
20
»Richtig«, sagte Seg. »Laßt es uns tun!«
»Aye«, sagte Inch schneidend.
»Aye!« brüllten die um uns versammelten Jungs.
Deb-Lu schüttelte den Kopf. Der Turban fiel herunter, rollte weg – und verschwand. Deb-Lus rechte Seite wurde von einer Samphronöllampe beleuchtet. Wir badeten in der Helligkeit Luz' und Waligs.
»Nein, nein! Khe-Hi und ich ... Nur einer. Wir schaffen es nur bei einem.«
»Ich! Laßt mich! Nein, mich!« Die Kakophonie erscholl, als jeder sein Verlangen hinausbrüllte, die Erlaubnis zu erhalten, in den so gut wie sicheren Tod zu gehen.
Ich wollte mit Gewißheit nicht in den Tod gehen, zumindest war ich mir da ziemlich sicher. Ich warf Delia einen schnellen Blick zu. Sie stand gerade und geschmeidig da, hielt sich aufrecht, auf den Wangenknochen schimmerte eine leichte Röte. Sie erwiderte den Blick ernst, ihre leuchtenden braunen Augen hatten mich ganz erfaßt und schätzen mich ein – schätzten den Narren Dray Prescot ein – und wußten bereits, wie ich, um die einzige Lösung, die es in dieser Situation gab.
Ich hielt die Hand hoch.
Unverzüglich verstummte das Geplapper, und Schweigen und Stille herrschten.
»Ich bin bereit, San.«
Deb-Lu schaute nach hinten und neigte den turbanlosen Kopf, so daß das rote lohische Haar im Schein der Samphronöllampe glänzte. Er sagte etwas für uns Unverständliches zu jemanden, der abseits in dem Zimmer stand. Als er sich uns wieder zuwandte, spürte ich eine neue Lebendigkeit in ihm, sein Geist war von frischer Zuversicht erfüllt.
»Jak! Khe-Hi ist auf einen großartigen Plan gestoßen. Ling-Li auch ... Es wird gelingen, ich bin überzeugt davon ... Großartige Sache ...«
Sofort verschwand das Phantombild Deb-Lu-Quienyins.
Ich wartete. Wir alle warteten beruhigt und erwartungsvoll. Wir standen bewegungslos da, von dem Bann unseres Vertrauens gehalten.
Nichts geschah.
Das heißt, auf den Decks der Shankjid geschah nichts. Doch es tat sich sehr viel in den Straßen und der Umgebung Taranjins.
Kirstys Streitkräfte standen nun direkt am Rand des Zusammenbruchs, und darauf würde der totale fluchtartige Rückzug folgen. Vielerorts trieb schwarzer Qualm über der Stadt und verhinderte die Sicht auf Gebäude und Straßen. Schrecklicher Lärm drang in die Höhe, als schmiedeten wie wahnsinnig arbeitende Riesen in einer Höhle Waffen für die Götter. Was die vallianischen Streitkräfte auch taten, sie übten mit Sicherheit keinen Druck auf die Shanks aus, die Kirsty vor sich hertrieben. Am Himmel kurvten Shank-Voller umher, und hamalische und vallianische Voller wehrten sich verzweifelt. Einen Augenblick lang – nur einen Augenblick lang und keinen Herzschlag länger – hatte ich den Eindruck, daß unsere Luftflotte die Schtarkins in Schach halten könne. Sie wußten noch immer nicht, wie sie sich der Flutduins erwehren sollten, die ihnen so sehr zusetzten, und das trotz der thaumaturgischen Unterstützung Carazaars.
Und dieser Erzdämon?
Sein auf einer Wolke stehender Thron
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