41 - Unter heisser Sonne
plötzlich bergig. Man hat steil emporzureiten und sieht dann, oben angelangt, die Höhen sanft nach Osten abfallen. Hier gibt es einige Wasserläufe und infolgedessen Vegetation. Ich traf ein Wäldchen von Korkeichen, bei welchem ich anhielt, um mein Pferd ausruhen zu lassen. Ich selbst streckte mich auch im Gras aus und schloß die Augen, welche mir von der Glut und dem grellen Lichte der Sonne weh taten.
Da hörte ich den Schrei eines Geiers und blickte wieder auf. Wenn ein Geier so schreit wie dieser, so gibt es Fraß für ihn. Zwei dieser Vögel schwebten hinter mir über dem Wald. Sie zogen enge Kreise, gar nicht sehr hoch, senkten sich aber nicht herab. Ihre Beute war entweder noch nicht tot oder der Art, daß sie sich nicht an sie getrauten.
Ich stand auf und durchschritt das Wäldchen, um zu sehen, was es war. Am jenseitigen Rand desselben sah ich es liegen. Es war kein Tier, sondern ein – Mensch, ein Beduine. Er lag in einer Blutlache auf dem Rücken und hatte mehrere Messerstiche in der Brust; das Messer steckte noch darin. Hier war ein Mord geschehen, und zwar kein Raubmord, sondern ein Mord infolge der Blutrache; sonst hätte der Mörder das Messer nicht steckenlassen.
Die Tat konnte erst vor kurzem geschehen sein, denn die Lache war noch nicht geronnen. Ich zog das Messer aus der Wunde, wischte es im Gras ab und steckte es in meinen Gürtel, um es den Bewohnern des Wadi mit der Meldung von der Auffindung der Leiche zu übergeben.
Der Anblick derselben hatte mir die Lust, hier auszuruhen, genommen; ich kehrte zu meinem Pferd zurück, stieg auf und ritt weiter. Ich brauchte ungefähr eine Stunde, um hinab in das Wadi Melah zu kommen.
Ich mochte vielleicht die Hälfte dieses Weges zurückgelegt haben, als ich Pferdeschritte hinter mir hörte. Ich wendete mich um und sah eine Schar von vielleicht zwanzig Beduinen, welche in scharfem Trab hinter mir herkamen. Dem Brauch nach hielt ich an und drehte mein Pferd um, ihnen entgegensehend.
Als sie mich erreichten, umringten sie mich im Nu; da dies bei diesen Leuten so Brauch ist, machte es mich nicht besorgt; ich grüßte also freundlich: „Sallam aaleïkum! Könnt ihr mir sagen, welcher Stamm jetzt da unten im Wadi Melah liegt?“
„Das sollst du bald erfahren, du Hund“, antwortete der Anführer. „Nehmt ihn fest!“
Vierzig Hände streckten sich nach mir aus. Ich hätte mich wehren können, denn ich war ausgezeichnet bewaffnet und fürchtete mich nicht; aber da hätte ich Blut vergießen müssen, und das wollte ich nicht. Ich wurde im Nu festgehalten, entwaffnet und auf das Pferd gebunden.
„Was fällt euch ein!“ rief ich. „Ich bin ein friedlicher Wanderer und habe euch nichts getan.“
„Uns nicht, aber einem anderen“, antwortete der Anführer, indem er meine Waffen untersuchte. Dabei nahm er auch das Messer des Toten in die Hand.
„Hier, hier klebt noch Blut!“ sagte er. „Er ist's, er ist's; wir haben den Mörder. Ed d'em b' ed d'em – Blut um Blut. Er muß sterben! Sag uns, Hund, von welchem Stamm du bist!“
„Von keinem. Ich bin ein Fremdling hier und gehöre zum Volk der Aleman (Deutschen).“
„Lüg nicht! Wir sind Uëlad Siminscha, und der, den du ermordet hast, ist ein Bruder von uns.“
„Hat Allah dir keine Augen gegeben? Siehst du nicht, daß ich zwei Messer bei mir hatte? Wer aber trägt zwei Messer herum? Das eine gehört mir; das andere habe ich aus der Brust des Toten gezogen, um es unten im Wadi vorzuzeigen. Wenn ihr lesen könnt, will ich euch beweisen, daß ich ein Alemani bin.“
„Schweig! Wir brauchen nicht lesen zu können, um zu wissen, daß du der Mörder bist. Sieh, dort bringen sie dein Opfer! Wir sahen deine Spur und sind schnell vorausgeritten, um dich einzuholen.“
„Hätte ich mich einholen lassen und hier auf euch gewartet, wenn ich der Mörder wäre?“
„Das hast du getan, um uns zu täuschen!“
„Ihr müßt aber doch einsehen, daß es sich um eine Blutrache handelt, denn das Messer steckte noch in der Wunde!“
„Es steckte nicht in der Wunde, sondern in deinem Gürtel.“
„Wo lagert euer Stamm?“
„Unten im Wadi.“
„Wohin ich ritt? Reitet ein Mörder zu denen, deren Bruder er getötet hat?“
„Wir werden dir nicht hier antworten, sondern unten im Lager, wenn wir dort angekommen sind und die Dschema (Versammlung der Ältesten) über dich gerichtet hat. Jetzt vorwärts, Leute! Einer mag vorausreiten, um die Unserigen zu benachrichtigen.“
Dies geschah, und es
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