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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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läßt sich leicht denken, wie wir bei unserer Ankunft empfangen wurden. Das war ein Gebrüll, ein Heulen und Schreien, wie ich es kaum jemals gehört hatte. Hätten mich die Krieger nicht in ihrer Mitte gehalten, ich wäre von den Weibern in Stücke gerissen worden.
    Das Duar (Zeltdorf) war ein stark besetztes Lager; es standen über sechzig Zelte da; draußen weideten zahlreiche Pferde, Kamele und Schafe. Ich wurde vom Pferd genommen und mit ausgestreckten Armen und Beinen an zwei kreuzweise übereinandergelegte Zeltpfähle gebunden; das verursachte mir nicht geringe Schmerzen. Drei Krieger hielten bei mir Wache, nicht etwa, weil man geglaubt hätte, daß ich fliehen könne, sondern um zu verhindern, daß sich die aufgeregte Menge schon vor dem Urteilsspruch über mich hermache.
    Jede Beschäftigung war aufgegeben worden. Man dachte nur an den Mord, den Mörder und die Rache. Die ‚Alten‘ kamen zusammen; ich sah, daß sie sich niedersetzten, um über mich zu richten. Ich verlangte, zu ihnen geschafft zu werden, um mich verteidigen zu können, um zu erzählen, wie die Sache sich zugetragen hatte. Die Wächter lachten mich aus.
    Die Frauen kamen herbei, verfluchten mich und ließen alle möglichen Schand- und Schimpfwörter über mich los; die Kinder warfen mit Steinen nach mir; einige, die sich ganz heran wagten, spien mich an; das wurde nicht verhindert.
    Unglücklicherweise war der Vater des Ermordeten ein wohlhabender und also einflußreicher Mann. Wie ich später hörte, bot er alles auf, um die Strafe, welche natürlich nur in dem Tod bestehen konnte, möglichst schwer werden zu lassen. Es wurde sehr viel gesprochen und geschrien; man hielt lange Reden, aber wohl keine einzige zu meiner Verteidigung, und endlich, als dies wohl zwei Stunden gedauert hatte, war man zum Resultate gekommen. Die Teilnehmer der Dschema standen auf und kamen herbei. Sie bildeten einen Kreis um mich, und der Scheik als der Vorsitzende machte mich mit dem Urteile bekannt: „Das Gesetz der Wüste lautet: Blut um Blut, Leben um Leben. Du hast ein Leben vernichtet, also wird dir das deinige genommen werden. Man wird jetzt das Grab graben, und wenn das Abendgebet vorüber ist, wirst du mit dem Toten in dasselbe gelegt und begraben werden.“
    „Lebendig?“ fragte ich.
    „Ja.“
    „Ich fordere von euch, meine Verteidigung anzuhören!“
    „Du hast nichts zu fordern. Schweig lieber, und bereite dich im stillen vor, denn es sind nur noch zwei Stunden, so wirst du über die Brücke des Todes hinab in die Hölle fahren!“
    „Aber ihr wißt noch nicht einmal, wer ich bin! Man verurteilt doch keinen Menschen, ohne seinen Namen zu kennen und wer und was er ist!“
    „Wir wollen nichts wissen; wir wissen, daß du der Mörder bist; das ist genug.“
    Dabei blieb dieser Mann. Ich konnte sagen, was ich wollte, man verlachte mich. Jedes Wort, welches ich zu hören bekam, war Gift, und jeder Blick ein Pfeil des Hasses und der Rache. Die Alten entfernten sich und ließen mir die Gewißheit zurück, daß ich unrettbar verloren sei.
    Jetzt bedauerte ich es freilich, daß ich mich nicht gewehrt hatte. Mit meinem fünfundzwanzigschüssigen Henrystutzen hatte ich schon ganz andere Leute von mir abgehalten, als diese Uëlad Siminscha waren! Ich sah, daß sie draußen vor den Zelten eine tiefe Grube machten – für zwei Menschen, einen toten und einen lebenden.
    Gab es denn wirklich keine Rettung? Hm! Wie oft hatte ich mich in wirklich verzweifelten Lagen befunden und mich doch befreit. Warum nicht auch hier? Ich sann und sann, fand aber keinen Rettungsweg. Ja, wenn man mich angehört hätte! Es war nur eine einzige, ganz geringe Hoffnung möglich: In der Lage, in welcher ich mich jetzt befand, mit so weit ausgespreizten Armen und Beinen konnte man mich nicht begraben; man war also gezwungen, mich von den Zeltstangen loszubinden, und wenn man das tat, bekam ich wenigstens für einige Augenblicke meine Glieder frei. Diese Augenblicke mußte ich benutzen; aber wie, das konnte ich vorher nicht wissen, sondern das mußte der Augenblick ergeben.
    Eben als ich mit diesem Gedanken fertig geworden war, bemerkte ich, daß die Aufmerksamkeit der Beduinen sich auf etwas richtete, was außerhalb des Lagers vorging. Ich hörte „el Bija, el Bija!“ (Händler) rufen. Es schien also ein Handelsmann zu kommen. Ein Handelsmann aber kann kein Beduine sein. Vielleicht war er ein Maure, ein Jude, ein Levantiner. Wenn die Uëlad Siminscha ihm erlaubten, mit mir zu

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