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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kam mir lächerlich vor. Da aber machte sich die alte Abenteuerlust geltend; ich beschloß, mitzutun, und erkundigte mich vorher nur: „Wie steht es mit meinem Koffer und meinen Gewehren, wenn man mich wirklich bei dir sucht?“
    „Daran wird man sich nicht vergreifen.“
    „Werde ich am Bab Zuweileh nicht als Fremder erkannt werden?“
    „Nein; dafür sorge ich.“
    „Wie habe ich mich zu verhalten?“
    „Wie ein Bettler; das ist alles. Wenn ein anderer Bettler bemerkt, daß ich nicht dort bin, so wird er es dem Dilendschi Baschi (Oberhaupt der Bettler) sagen: kommt dieser, so zeigst du ihm die Münze vor, die ich dir mitgebe; dann ist es gut. Heut abend kommst du hierher, wo ich auf dich warten werde.“
    „Gut, ich mache mit!“
    „So will ich dich umwandeln.“
    Ich bekam einen noch schlechteren Anzug, als der meinige war, und wurde an Gesicht, Hals und Händen mit einer dunklen Flüssigkeit bepinselt. Wie ich nun aussah, konnte ich nicht sehen, weil es keinen Spiegel gab. Ich bekam die erwähnte Münze und den Schlüssel zur Tür; dann sagte er: „Nun geh! Es ist die höchste Zeit. Die Tür hier schließt du von außen wieder zu. Heut abend sehen wir uns wieder.“
    Er kehrte durch das Loch dahin zurück, woher wir gekommen waren, und ich schloß die Haustür auf, um mich als Schahad nach dem Bab Zuweileh zu begeben und einen Tag lang der Liebling und Diener des Kutb zu sein.
    Schon herrschte auf unserer Gasse reges Leben. Niemand kümmerte sich um mich. Ich sah, daß ich nicht erkannt wurde, so hatte mich das Anstreichen mit der Flüssigkeit verändert. Je weiter ich kam, desto deutlicher wurde es mir, daß es sich freilich um einen Aufstand handelte. An den Gassen- und Straßenecken standen bewaffnete Militärwachen, und auf einigen Plätzen sah ich sogar Kanonen. Es war jener 9. September 1881, an welchem Arabi Pascha mit 4.000 Soldaten und 30 Geschützen den Abdinpalast umzingelte und den darin residierenden Vizekönig zwang, das Ministerium Riaz zu entlassen, eine Verfassung zu gewähren und das Heer auf 18.000 Mann zu vermehren. Das war das Vorspiel zu dem Europäermord in Alexandrien und der Beschießung dieser Stadt durch die englische Flotte. Jetzt wußte ich nun freilich, daß sich mein Leben in Gefahr befand.
    Bei dem Tor Zuweileh angekommen, setzte ich mich dort nieder, um meinem heutigen Beruf als Schahad obzuliegen. Es war inzwischen völlig Tag geworden. Die Bevölkerung war noch in Aufregung und Bewegung, und ich bekam manche Gabe in die ausgestreckte Hand. Bald aber änderte sich das. Arabi Pascha hatte befohlen, daß jedermann daheim zu bleiben habe, und die Gassen wurden leer. Ich bekam nur noch Soldaten zu sehen; die aber geben nichts; sie nehmen lieber. Dafür wurde ich reichlich durch die Beobachtungen entschädigt, welche ich von meinem Sitz aus machte: ich hörte alle Bitten, welche dem Kutb vorgetragen wurden.
    Da kamen Patrouillen, einzeln oder aus mehreren Soldaten bestehend, Piquets nach orientalischer Weise, abgelöste Posten, sonstige Trupps von Soldaten, Adjutanten und sonstige Offiziere. Kein einziger ging vorüber, ohne wenigstens den Anfang der heiligen Fatcha zu beten, und viele blieben stehen, um dem unsichtbar hinter dem Torflügel wohnenden Geist zu sagen, was sie von ihm wünschten. Ich bekam da sonderbares Zeug zu hören, und oft kam mich ein innerliches Lachen an.
    Unter diesen Bittenden war einer, der einen tiefen Eindruck auf mich machte. Er kam matt und langsam herbei und war hager und abgezehrt; als ich ihm die Hand entgegenhielt, sagte er: „Ich kann dir nichts geben, denn ich habe selbst nichts und brauche doch so viel!“
    Dann kniete er nieder, verbeugte sich nach dem Winkel hin, in welchem der Kutb wohnen sollte, und betete: „Allah il Allah wa Mohammed rassuhl Allah! Höre mein Flehen, o Kutb, du Geist der Gewährung aller Bitten! Laß mich die Meinen wiedersehen, den Vater und die Mutter, das Weib und das Kind, an denen mein Herz hängt. Gib mir das Geld, welches ich brauche, um von hier fortzukommen, denn die Sehnsucht zehrt an meinem Leib und an meiner Seele. Hilf mir, o Kutb, aber hilf bald, sonst nimmt der Gram mich weg aus diesem Leben!“
    Dieses Gebet rührte mich tief. Der Mann war wirklich krank vor Heimweh und Sehnsucht. Als er sich wieder erhoben hatte sagte er zu mir: „O Schahad, du bist der Diener des Kutb; bitte für mich!“
    „Wo ist deine Heimat?“ fragte ich.
    „Im fernen Tunis.“
    „Was bist du da?“
    „Diener an der

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