41 - Unter heisser Sonne
Wir wurden uns aber nicht einig, und zur Strafe dafür, daß ich ihm nicht zu Willen sein konnte, behielt er mich als Matrosen an Bord. Ich habe die schlimmste Zeit meines Lebens bei ihm zugebracht und nach jeder Gelegenheit zur Flucht gesucht; erst vorgestern ist sie mir gelungen. Er beorderte dreißig Mann an das Land, um diese Ansiedlung zu überfallen, den Priester gefangenzunehmen und die Wohnungen nach ihrer Beraubung niederzubrennen. Diese braven Leute flohen. Ein einziger hielt nebst dem Priester. Der erstere wurde niedergeschossen, und der letztere, welcher hatte vermitteln wollen, wurde gebunden auf das Schiff geschleppt. Es gelang mir, nach dem Eisenbaumwald zu entkommen, und diese Leute haben mich bereitwillig bei sich aufgenommen, trotzdem ich vom Schiff der Piraten zu ihnen kam.“
„Welchen Plan verfolgen Sie nun in Beziehung auf Ihre weitere Zukunft?“
„Ich werde versuchen, nach meiner kleinen Besitzung am Kap zurückzukommen. Vorher aber bitte ich Sie, mich mit an Bord zu nehmen. Ich wünsche dabeizusein, wenn Sie mit Schooter Abrechnung halten.“
„Diesen Wunsch erfülle ich Ihnen gern. Was für ein Schiff ist der ‚Adler‘?“
„Ein Orlog-Kutter von dreißig Kanonen; doch macht er nur dreizehn Meilen in der Stunde. Wenn Sie keine Zeit versäumen, Kapitän, so werden Sie ihn in der Mangkassarstraße finden. Er pflegt seine Gefangenen den wilden Dayaks, welche die Sakuruberge auf Borneo bewohnen, zu übergeben und dafür Goldsand einzutauschen. Bei diesen Gelegenheiten landet er auf einer Insel der Sakurubai. Die Dayaks bezahlen weiße Gefangene sehr teuer, um sie mit vornehmen Toten lebendig zu begraben oder ihren Götzen als Opfer darzubringen.“
Diese Mitteilung trieb Surcouf zur höchsten Eile an. Zwar landete er vorher noch verschiedene Sämereien, Werkzeuge und andere Gegenstände, welche er den Ansiedlern schenkte, um ihrer zerstörten Niederlassung wieder aufzuhelfen; dann aber ging er sofort in See, um noch vor Nacht den nördlichen Teil des Sundameers zu gewinnen und, dort kreuzend, dem ‚Eagle‘ den südlichen Ausgang aus der Mangkassarstraße zu verlegen. Dies gelang ihm vollständig, und da er während der Nacht kein Schiff in Sicht bekam, so ging er am Morgen zwischen Borneo und den Balabalagan-Inseln nach Norden.
Er wußte, daß er einem Feind entgegenging, so gefährlich, wie er noch keinen getroffen hatte, und daß ihm ein Kampf bevorstand, der voraussichtlich in einem wilden Zerfleischen bestehen werde. Dennoch war er guten Mutes; er wußte, daß sein Schiff dem ‚Eagle‘ an Manövrierfähigkeit überlegen sei; er sah, daß seine Leute sich in der besten Stimmung befanden, und er glaubte an die Möglichkeit, daß irgendein Umstand eintreten könne, der einen blutigen Kampf vermeiden lasse.
So kam er am Mittag an Koti Lama vorüber und kreuzte mit günstigem Wind immer weiter nach Norden – links lag Borneo und rechts Célebes – ohne daß ihm ein Schiff begegnet wäre. So war er sicher, den ‚Adler‘ noch vor sich zu haben, da Schooter den ‚Falken‘ an der Küste von Java suchen und also durch die Mangkassarstraße nicht hinauf in das Sulumeer, sondern wieder zurück nach der Sundasee gehen würde.
Die Sonne stand bereits am Horizont, als der ‚Falke‘ die südliche Spitze der Sakurubai erreichte. Jetzt galt es, vorsichtig zu sein. Surcouf stieg zum Masthaupt empor, um die Bai mit seinem guten Fernrohre abzusuchen. Da sah er im Norden eine Insel vor sich liegen, und in einem kleinen Busen am Westufer derselben ragten die Masten eines Schiffes empor, dessen Segel beschlagen waren, ein Zeichen, daß es während der Nacht diese Stelle nicht verlassen würde. Um nicht gesehen zu werden, ließ er augenblicklich wenden und hinter der ihn verbergenden Landspitze Anker werfen.
Dort blieb er, bis es dunkel geworden war. Dann wurde der Anker wieder gelichtet, und der ‚Falke‘ steuerte nach Nord bei Ost, um an der unbewachten Seite an die Insel zu kommen. Die Nacht war finster, so finster, daß man kaum eine Schiffslänge weit zu sehen vermochte. An Deck brannte kein einziges Licht. Es war die größte Vorsicht geboten, und als Surcouf glaubte, auf gleicher Höhe mit der Insel angekommen zu sein, ließ er gerade auf West wenden. Er folgte dieser Richtung, indem er nur so viel Segelwerk beibehielt, als notwendig war, um das Fahrzeug langsam fortzubewegen. Als er die richtige Zeit gekommen glaubte, setzte er die Barkasse aus, welche mit umwickelten Rudern vor
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