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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auf Surcouf. Trotz seiner Geschäftigkeit fand er doch Zeit, den Stammgästen zu erzählen, daß Kapitän Surcouf gestern sofort nach seiner Ankunft zum Minister gefahren sei, und daß auch vorhin ein reich galonierter Diener desselben einen Brief für Surcouf gebracht habe. Es sei noch nie ein Gast bei ihm eingekehrt, der mit den Ministern des Kaisers verkehrt hätte, und es könnten sehr viel vornehme Hotels genannt werden, deren Gäste noch nie mit einem Minister gesprochen und noch weniger ihn besucht oder gar einen Brief von ihm empfangen hätten.
    Als der Kapitän von einem Spaziergang zurückkehrte, brachte ihm Oncle Carditon diesen Brief in eigener Person auf einem feinen Glasteller, denn der gute Oncle dachte sich, daß der Brief eines Ministers anders zu behandeln sei, als ein Papier aus gewöhnlichen Händen. Surcouf öffnete und fand die Weisung, sich am nächsten Vormittag präzis halb elf Uhr bei dem Chef des Marinewesens einzufinden.
    Als der Kapitän des ‚Falken‘ am anderen Morgen das Hôtel des Ministers betrat, wurde er direkt nach dessen Arbeitszimmer geführt. Er wußte, daß dies eine Auszeichnung für ihn sein solle, doch nahm er dieselbe so gleichmütig hin, als ob er es gar nicht anders erwartet habe. Der hohe Beamte empfing ihn mit der ausgesuchtesten Höflichkeit.
    „Ich habe Sie nicht rufen lassen“, begann er, „um über Ihre Angelegenheit mit Ihnen zu verhandeln, sondern um mich von Ihnen über einige nautische Fragen, welche die von Ihnen mit Vorliebe befahrenen Gegenden betreffen, unterrichten zu lassen. Es sind eben jetzt so wenig Männer gegenwärtig, von denen ich die gewünschte Auskunft erhalten könnte, daß ich Ihre Anwesenheit nicht unbenutzt vorübergehen lassen darf.“
    Und nun brachte er eine Anzahl Seekarten zum Vorscheine, über welche eine nach und nach immer lebhaftere Unterhaltung geführt wurde. Surcouf hatte Gelegenheit, seine reichen Erfahrungen in seiner stillen, anspruchslosen Weise zur Geltung zu bringen, und der Minister verbarg es keineswegs, daß ihn der junge Seemann – je länger desto mehr – interessierte.
    Da öffnete sich plötzlich die Tür, und der Diener meldete den Kaiser, welcher zu gleicher Zeit mit der Meldung eintrat.
    „Exzellenz“, sagte er, „ich komme persönlich, um eine höchst wichtige Angelegenheit selbst – ah!“ unterbrach er sich, „Sie sind beschäftigt?“
    „Ich bin zu Ende und stehe Ew. Majestät überhaupt zu jeder Stunde zur Verfügung“, lautete die Antwort.
    Der Kaiser hatte Surcouf scharf in das Auge gefaßt, um zu sehen, welchen Eindruck die plötzliche Gegenwart des Lenkers Frankreichs auf ihn machte. Wenn er geglaubt hatte, den Kapitän in Verlegenheit zu bringen, so hatte er sich getäuscht, denn dieser zuckte mit keiner Miene, und die Farbe seiner tiefgebräunten Wangen blieb ganz die gleiche; er trat nur mit einer tiefen respektvollen Verbeugung zur Seite und richtete dann seinen Blick auf den Minister, da er erwartete, verabschiedet zu werden.
    „Kapitän Surcouf, Majestät“, stellte dieser ihn vor.
    „Kapitän?“ fragte Napoleon kalt. Und dann fügte er mit scharfer Stimme, als beabsichtige er, einen Verweis zu erteilen, hinzu: „Wer hat Sie zum Kapitän gemacht?“
    Dieser Ton und diese Frage, welche einen anderen verblüfft hätte, brachte den Gefragten nicht im mindesten aus der Fassung; er antwortete ruhig, aber mit einem beredteren Blick, als die Demut ihn erfordert hätte:
    „Frankreich nicht, Sire, sondern der Seegebrauch. Frankreich gab mir kein Schiff; da nahm ich mir ein solches und wurde von diesem Augenblick an Kapitän genannt. Diejenigen, welche mich mit diesem Wort beehren, wissen vielleicht kein anderes, welches ihnen passend erscheint; denn die Zeit, in welcher es genügt, einen jeden einfach ‚Bürger‘ zu nennen, ist vorüber.“
    Er hatte den Ausfall des Kaisers pariert und ihm dafür zwei Hiebe zu gleicher Zeit gegeben. Daß sie getroffen hatten, zeigte das kleine Fältchen, welches sich über der Nasenwurzel Napoleons bildete.
    „Sehnen Sie diese Zeit zurück?“ fragte dieser mit jener Kürze, welche er anzuwenden pflegte, wenn er einem anderen in den Grund der Seele zu blicken beabsichtigte.
    Diese Frage war verfänglich, doch Surcouf antwortete ruhig:
    „Ich ersehne vor allen Dingen das Glück meines Vaterlandes; in jener Zeit war Frankreich nicht glücklich; möge es jetzt anders werden!“
    „Was verstehen Sie unter dem Glück eines Volkes, insbesondere unter

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