41 - Unter heisser Sonne
Ratgeber eines Kaisers berufen. Zum Bürger Colonel Bonaparte konnte ich ohne Bedenken sprechen, heut' aber darf ich nur der Gründe gedenken, welche mich abhalten, in die Marine zu treten, und mich zwingen, ein ‚Privateer‘ zu bleiben.“
„Surcouf, Sie können sprechen, ja Sie sollen sprechen! Ich werde Ihre Offenheit ohne Zorn entgegennehmen. Sie wissen, daß man sagt, ich habe die Absicht, in England zu landen?“
„Ich weiß, daß Sie Ihre Truppen bei Boulogne zusammenziehen; aber ich weiß ebensogut, daß diese Truppen nicht nach England kommen werden.“
„Ah! Sie behaupten kühn!“
„Meine Behauptung hat triftige Gründe. Wo hat Frankreich die Seemänner, welche es vermögen, uns den Weg nach England zu öffnen, indem sie die Engländer von unseren blockierten Häfen vertreiben und ihre Flotten in den Grund schießen? Wo sind die Schiffe, welche dazu gehören. Es bedarf langer Jahre, Jahre des Friedens, um Frankreichs Seemacht von den Wunden zu heilen, die ihr geschlagen worden sind. Frankreich muß mit allen anderen Nationen Frieden haben, um sich auf den großen Schlag vorbereiten zu können, mit dem es Englands Übermut demütigt, denn Frankreich hat keinen anderen Feind als nur diesen einzigen: – England.
Sire, warum haben Sie Robert Fulton von sich gewiesen? Ohne Prophet zu sein, behaupte ich, daß in wenigen Jahren der Dampf die riesigsten Schiffe über alle Meere treiben wird. Dann werden Sie bedauern, die Gelegenheit, der mächtigste Monarch zu sein, von sich gestoßen zu haben!“
„Pah, Fulton! Er ist ein Träumer, und seine Träumerei scheint ansteckend zu sein, da sie sogar Ihren Kopf ergriffen hat.“
„Majestät haben mich aufgefordert, zu sprechen, und können überzeugt sein, daß ich nichts sage, von dessen Wahrheit ich nicht ganz durchdrungen bin. Ich bin kein Höfling, sondern ein nüchterner Seemann, und wenn ich Phantasie besitzen sollte, so will ich sie jetzt nur gebrauchen, um zu denken, ich spreche nur zu dem Bürger Colonel Bonaparte. Ein eigennütziges Interesse treibt mich nicht, denn ich werde nach Indien zurückkehren, wo Hunderte meiner bedürfen. Mein Schiff ist der kleine ‚Faucon‘; auch ich will klein bleiben; auch ich habe etwas vom Falken an mir: ich muß mich frei bewegen können, mein Flug muß nur von meinem eigenen Willen abhängig sein; ich bin ein schlechter Untergebener.“
Der Kaiser hatte ruhig zugehört. Kein Zug seines ehernen Angesichtes verriet, was er bei den Worten Surcoufs dachte; jetzt aber spielte ein leises Lächeln um seine Lippen, und er meinte fast scherzend: „Surcouf, Ihre Heimat ist die rauhe Bretagne, und Sie sind ein echter Sohn derselben: derb, offen, kühn, fromm, treu und dabei ein klein wenig unhöflich oder gar rücksichtslos. Aber der Bürger Colonel Bonaparte hat einst Wohlgefallen an Ihnen gefunden und wünscht jetzt ein halbes Stündchen mit Ihnen zu verplaudern. Folgen Sie mir!“
Er schritt voran, und der Kapitän trat hinter ihm in ein anderes Kabinett. Eine volle Stunde war seitdem vergangen, und von Minute zu Minute ließ sich Oncle Carditon an der Tür sehen, um den Herrn Kapitän ja sofort empfangen zu können. Und je länger es dauerte, desto freudiger glänzte das Gesicht des Wirtes, denn welch' eine Ehre für seine Auberge, daß sein Gast die kostbare Zeit des Kaisers so lange in Anspruch nehmen durfte!
Endlich kehrte Surcouf zurück. Sein Gesicht war sehr ernst, aber er nickte doch dem Oncle Carditon freundlich zu und begab sich sodann hinauf in seine Wohnung. Ervillard und Holmers hatten auf ihn gewartet; sie kamen sogleich, um sich nach dem Resultate der Audienz zu erkundigen.
„Du warst so lange bei dem Kaiser?“ fragte der Lieutenant.
„Allerdings, Herr Kapitän!“
„Wie? Was? Welchen Kapitän meinst du?“
„Den Fregattenkapitän Bert Ervillard, dem ich hiermit herzlich gratuliere!“
Ervillard begriff nicht eher, als bis Surcouf ihm seine Ernennung ausführlich erzählte. Aber der Eindruck war ein anderer, als er gedacht hatte.
„Trittst auch du in die Marine?“ erkundigte sich der Lieutenant.
„Nein; ich kehre nach Indien zurück.“
„So gehe ich mit! Ich bleibe bei dir; sie mögen ihre Fregatte behalten!“
„Das wird sich schon noch finden! Übrigens hat mir der Kaiser höchst eigenhändig unser Prisengeld ausbezahlt. Laß sehen, wieviel es ist!“ Napoleon hatte kaiserlich honoriert und als Surcouf sagte, daß auch sein Prozeß bereits günstig entschieden sei,
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