42 - Die Trommeln von Scorpio
obwohl wir Ausschau nach ihnen halten. Noch schwerer ist es, sie zum Dabeibleiben zu bewegen.«
»Also gibt es keine zentrale Führung?«
»Eigentlich nicht. Wir schicken mit Hilfe eines lockeren Verständigungsnetzes Botschaften an jene, die wir kennen. Lisa die Ehrliche gilt als unser Mentorin, als Guru und Anführerin. Sie ist eine wirklich bemerkenswerte Frau.«
»Nun, San Ornol und Xinthe leben in Changwutung. Ich bin sicher, sie würden sich freuen, von dir zu hören. Erwähn mich. Ich glaube, das würde ihnen gefallen.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein.«
Hier gab es also noch zwei Menschen, Lanlo der Mollige und Milly, die sowohl zu den Pilgern auf der Suche nach der Alternativen Magie gehörten, als auch zu den netten und freundlichen Menschen Kregens zählten.
Und als wollte er es bestätigen, stieß Lanlo einen tiefen Seufzer aus. »Wir unterstützen das neue lohische Reich zwar nicht, aber wir können diese Frauen auch nicht aus dem Haus weisen. Der Schaden ist angerichtet. Man wird einen Weg finden müssen, wie sie aus Shamfrin flüchten können.«
Das dachte ich auch. Dabei fiel mir etwas ein, über das ich schon einmal nachgedacht hatte. Die Herren der Sterne waren vor langer Zeit völlig normale Menschen gewesen, so wie ich. Angenommen, sie hatten ihre eindrucksvollen Kräfte durch das Studium der Pfade erlangt – durch die Alternative Magie? Weiterhin angenommen, einige Pilger erreichten ihr Ziel, und weitere folgten mit Hilfe der Pfade zu den Winkeln. Selbst wenn die Kraft, die sie erlangten, nur einen Bruchteil der Macht der Everoinye ausmachte – wie würden die Herren der Sterne reagieren? Würden sie die neuen Herren der Sterne aus Neid abweisen? Sie vernichten? Oder hießen sie die Neuankömmlinge als Weggefährten ihrer äonenalten Pläne willkommen? Ich konnte es einfach nicht sagen, und es widerstrebte mir sehr, eine Vorausschau zu wagen, ja, bei Vox.
»Du siehst besorgt aus, Drajak. Ich glaube nicht, daß es so schlimm ist, wie du denkst. Wir werden uns einen Plan ausdenken, damit die Frauen sich in Sicherheit bringen können.«
»Je früher, desto besser.«
»Sicher.«
Ohne besondere Betonung – doch auch nicht gerade beiläufig – fragte ich ihn, ob er von einem bösen Zauberer namens Carazaar gehört hatte. Ich bezeichnete ihn deswegen als böse, da man mir gesagt hatte, daß er böse sei und er mir zweifellos einige heimtückische Dinge angetan hatte.
»Nein, Drajak, noch nie.«
Ich erwähnte den Zauberer von Walfarg, Na-Si-Fantong. Er lachte. »O ja. Inzwischen weiß jeder, daß man ihn aus Kothmir vertrieben hat. Er wollte ein kostbares Halsband stehlen.«
»Und seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört?«
»Meines Wissens nicht. Ich frage Milly, wenn sie vom Einkaufen zurück ist.«
Milly lachte ebenso wie ihr Mann, nachdem sie die Einkäufe in der Küche abgestellt hatte, wo die Frauen des wackeren neuen lohischen Reiches mit den Vorbereitungen für das zweite Frühstück begannen.
»Nun, solche Dinge hört man auf den Märkten. Quaenci – du weißt doch, Lanlo, ihr Mann hat den Stand mit den Gregarianfrüchten –, nun, sie hat mir erzählt, daß ein Gerücht umgeht, demzufolge der große Zauberer aus Walfarg von Kothmir aus nach Murn-Chem gereist ist. Das ist ein gefährlicher und langer Weg nach Süden, der an den Dschungeln vorbeiführt.«
»Äußerst unangenehm«, bestätigte Lanlo schaudernd.
Ich dankte Milly, und sie erzählte, sie habe mit Nath mit den gestutzten Ohren den Handel abgeschlossen, uns in der kommenden Nacht mit seinem Quoffa-Karren aus der Stadt zu schaffen. »Niemand wird Verdacht schöpfen. Doch er verlangt Gold.«
»Äh«, machte ich, und ich gestehe, daß es niedergeschlagen klang.
Zu meiner Überraschung hatten die Frauen Gold und Silber am Körper versteckt. Manting und ich besaßen natürlich keine Münze.
»Wir haben genug«, verkündete Milly, als die Münzen auf ihrem makellos sauberen Tisch lagen. »Sobald die Sonnen untergegangen sind, brechen wir auf.«
Das war also geregelt.
Wie die Menschen der Erde haben auch die Kreger ihre Lieblingsgeschichten. Viele Handlungsfäden bewegen sich in ähnlichen Bahnen. In unserer Situation, als wir versuchten, die Stadt unauffällig auf einem polternden Bauernwagen zu verlassen, flüchteten wir nicht etwa vor den brutalen Wachen des Herrschers. O nein! Dies war etwas anderes: Die Frauen des neuen lohischen Reiches flüchteten vor dem Volk.
Das versetzte mich mehr als je zuvor in
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