42 - Die Trommeln von Scorpio
bewunderte und mochte Mevancy sehr. Sie verfügte über eine innere Schönheit, sie strahlte sie aus und zog damit einfache Männer in ihren Bann.
Llodi grunzte und sagte: »Ich habe da hinten wirklich meine Strangdja vermißt.«
»Wir werden noch viele Kämpfe zu bestehen haben«, sagte ich, und meine nächsten Worte muß man aus unserer Situation heraus verstehen. »Und wir werden noch viele Waffen einsammeln können.«
»Glaube ich auch, wegen der Monster und allem.«
Llodi würde eine Strangdja finden, da bestand für mich kein Zweifel. Wir mußten noch einige Stürme überstehen, bevor wir dieses Labyrinth hinter uns gelassen hatten. Wenn Sie die Vorstellung, einen Toten zu bestehlen, entsetzlich finden, haben Sie, allgemein betrachtet, durchaus recht. Allerdings ist so etwas unter bestimmten Umständen notwendig und weit verbreitet. Ein Paktun, ein anerkannter, angesehener Söldner, nimmt einem besiegten Rivalen automatisch seine Pakai ab, eine Kette von Trophäenringen, und er erwartet deshalb auch, daß mit ihm das gleiche geschieht. Er hat das Recht auf die Siegestrophäe. Ebenso nimmt jeder Söldner, jeder Soldat, den Toten das ab, was er braucht. Und mit Sicherheit werden alle Söldner und viele Soldaten beifällig in dem jeweiligen Himmel, in den sie eingehen, nicken, wenn ein lebendiger Sterblicher in Not die Besitztümer ihrer Leiche durchsucht, und sagen: »Er benötigt sie dringender als ich.«
Schwert und Rüstungen, die mit den toten Kriegern begraben werden, sind nur wenig von Nutzen. Moderne Archäologen begrüßen dies. Kein ehrenvoller Krieger würde die Gruft eines anderen plündern – es sei denn, dringende Überlegungen schieben die Moral zur Seite. Sollte also jemand, der meine Erzählungen verfolgt hat, der Meinung sein, ich befürworte, daß man auf der Erde Leichenraub betreiben soll, so liegt er völlig daneben. Es bezieht sich natürlich auf das alltägliche Leben. Wie ich berichtet habe, existiert auf Kregen ein lebendiges, alltägliches Dasein; doch Kregen ist Kregen und nicht die Erde, bei Zair!
Das nur zur Erklärung des Pfeils, der aus dem verborgenen Schlitz in der Wand abgeschossen wurde.
Wir ließen den Gestank hinter uns und betraten ein Gewölbe, das nichts mehr mit einer Höhle gemeinsam hatte, da die Wände aus Ziegelsteinen bestanden und weite Flächen mit Gobelins behangen waren. Das milchige Licht tränkte alles mit dem sanften und behaglichen Schein, der den Augen so wohl tat. Es standen Tische und Stühle herum, und an einer Wand waren mit schwarzen Eisenbändern zusammengehaltene Truhen aufgestapelt.
»Ha!« rief Chan aus und trat begierig näher.
Die meisten der Truhen waren verrottet, das schwarze Eisen rostete. Chan blieb stehen. Er zupfte sich am Bart. »Wertlos ... Oder ist es nur Tarnung?«
»Oder eine Falle, Herr«, sagte Dravka, der Brokelsh, der die Rüstung trug.
Der andere Brokelsh, Braga, drehte sich um und winkte kurz. Der Rapa-Cadade war offensichtlich mit dieser Bewegung vertraut. Zwei seiner Wachen führten unverzüglich einen Sklaven zu dem Brokelsh. Der Sklave, ein kahlgeschorener Gon, stand reglos mit halb geschlossenen Augen und aufklaffendem Mund da; er sabberte leicht. Ein kaum wahrnehmbares Zittern durchlief seine Glieder. Er sah aus wie ein schlaffer, auf zwei Beinen stehender Sack.
Zwei Rapa-Wächter nahmen ihre Strangdjas in die äußeren Hände, ergriffen den Gon mit dem zweiten Händepaar und liefen mit ihm los. Sie wollten ihn gegen die Truhen werfen und sich dann sofort zurückziehen. Doch es funktionierte nicht so, wie sie gedacht hatten.
Sie stießen den Gon vorwärts, so daß er taumelte und über die eigenen Füße stolperte. Er stürzte zu Boden, sein kahlgeschorener Schädel prallte gegen eine Truhe. Alle Anwesenden wußten, daß etwas Schreckliches passieren würde. Ein Rapa legte überrascht die Hand an den Hals oberhalb der Rüstung. Der fliegende metallene Blitz aus dem Wandschlitz war nur einen Herzschlag lang zu sehen gewesen. Das Pfeilende ragte aus der Kehle des Rapas. Er sah benommen aus, dann fiel er polternd zu Boden.
»Möge Hlo-Hli ihm gnädig sein!« rief Chan aus.
Der Gon blieb an Ort und Stelle liegen; ein dünnes, dunkles Blutrinnsal sickerte über den kahlgeschorenen Schädel, wo die ersten Haare bereits wieder wuchsen.
Der Rapa-Wächter am Boden zuckte unter Krämpfen zusammen. Er erstickte. Schwarze Flüssigkeit quoll aus seinem Schnabel. Chan sah auf ihn hinab, und sein Gesicht verriet
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