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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Fußsohlen des Notars zu bestreichen.
    Unterdessen warteten die Diener unten im Saal auf seine Rückkehr. Es dauerte ihnen zu lange, doch wagten sie nicht, gegen seinen Befehl zu handeln und den Saal zu verlassen. Da trat das Mädchen herein, welchem die Gräfin übergeben worden war, und sagte, daß man oben ein ganz entsetzliches Getöne vernehme. Man beriet, was zu tun sei, und kam darin überein, daß der Alkalde mit dem Portier nachsehen solle, woher die Töne kämen.
    Als diese beiden den oberen Korridor erreichten, stiegen ihnen fast die Haare zu Berg. Was sie hörten, war das Wutgestöhne des Advokaten. Trotzdem er einen doppelten Knebel trug und trotzdem er in einem innern Zimmer lag, drang sein Geheul doch bis auf den Korridor heraus; doch gerade als der Alkalde klopfen wollte, trat Schweigen ein. Sie kehrten infolgedessen nach dem Saal zurück, wo sich nach kurzer Zeit auch Sternau einstellte. Er hatte die Gräfin am Arm.
    Die sämtlichen Anwesenden erschraken bei dem Anblick der geliebten Herrin. Sie wollten herzutreten, um ihre Gefühle auszusprechen, Sternau aber wehrte ab und sprach:
    „Señores, kennt Ihr diese Dame?“
    „Ja“, ertönte es rundum.
    „Könnt Ihr beschwören, wer sie ist?“
    Man wunderte sich über diese Frage und antwortete wieder mit einem Ja.
    „So mag der Alkalde sagen, wer sie ist.“
    „Natürlich ist es die Contezza Rosa de Rodriganda-Sevilla“, sagte der Aufgeforderte.
    „So setzt Euch nieder, Señor, und stellt mir ein amtliches Zeugnis aus, daß diese Doña die Gräfin ist. Die sämtlichen Anwesenden werden das Dokument unterzeichnen.“
    „Warum?“
    „Man trachtet der Gräfin nach dem Leben; man macht sie wahnsinnig; ich werde sie retten und brauche dazu die erwähnte Legitimation.“
    Der Alkalde wollte noch weiterfragen; er sah sich hier vor den Pforten eines Geheimnisses, in welches er gern eingedrungen wäre, doch Sternau bat um Eile, und er mußte sich fügen.
    Hierauf ging Sternau nach den Zimmern, welche er selbst bewohnt hatte; er fand dieselben ziemlich unberührt und packte in Gegenwart des Alkalden und der Ältesten ein, was er mitzunehmen gedachte. Dann mußten ihn die Beamten nach den Zimmern der Gräfin begleiten, wo er ebenso alles notieren ließ, was mitgenommen wurde. Durch diese Maßregeln stellte er sich gegen spätere Anklagen sicher. Von höchstem Wert waren ihm der Geburts-, Tauf- und Firmungsschein der Gräfin. Er fand diese Papiere in ihrem Schreibtisch und steckte sie zu sich.
    Der Alkalde bat um Aufklärung über das ganze geheimnisvolle nächtliche Ereignis; er fragte auch nach Graf Alfonzo und dem Advokaten, erhielt aber keine Aufklärung. Dann ließ Sternau zwei Schlitten mit den schnellsten Pferden bespannen, bestieg den einen mit der Gräfin, während der Pater den anderen lenkte, und fuhr dann davon. Die beiden Tiere, auf denen sie nach Rodriganda gekommen waren, ließen sie zurück.
    Die Anwesenden blickten den beiden Schlitten so lange nach, als sie zu sehen waren, dann aber sahen sie sich – untereinander selber an. Was war das gewesen? Was hatte das zu bedeuten? Woher war Sternau, der Verschwundene, so plötzlich gekommen, und wohin wollte er mit der Gräfin? Warum ließen sich der Graf und der Sachwalter gar nicht sehen?
    Man ging nach der Wohnung des ersteren und fand dieselbe verschlossen. Das war verdächtig. Man klopfte, und als man angestrengt horchte, hörte man als Antwort ein unterdrücktes Wimmern. Jetzt wurde das erstbeste Instrument herbeigeholt, um die Tür aufzusprengen, und nun fand man Graf Alfonzo gefesselt und geknebelt im Bett liegen. Er wußte von nichts; aber als er befreit war und nun hörte, daß Sternau hiergewesen sei und die Gräfin mitgenommen habe, warf er die nächstliegenden Kleidungsstücke über und eilte zum Advokaten.
    Auch dessen Tür war verschlossen; man sprengte sie ebenso auf und fand Cortejo in einem ganz unbeschreiblichen Zustand. Er hatte sich unter den Fesseln so gekrümmt und gewunden, daß die Banden tief in sein Fleisch eingedrungen waren; die Knebel waren vom Schaum ganz durchweicht, und es dauerte lange Zeit, ehe seine bis zum fürchterlichen Wahnsinn aufgeregten Nerven sich so weit beruhigt hatten, daß er dem Grafen den Vorgang unter vier Augen erzählen konnte.
    Alfonzo ordnete sofort eine schleunige Verfolgung an und stieg selbst zu Pferd, um in Manresa Polizei zu requirieren und die sonst noch notwendigen Schritte einzuleiten.
    Unterdessen hatten die beiden gräflichen

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