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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Haus, in welchem wir wohnen, gehört meinem Neffen. Er wird auch unsere Sachen später verkaufen und mir den Ertrag nach Deutschland schicken.“
    „Gut“, antwortete Sternau. „Wir haben keine Zeit, uns zu streiten. Ihr sollt mit uns gehen!“
    „Dank, tausend Dank, Señor!“ rief Alimpo. „Nicht wahr, meine Elvira?“
    „Ja, das werden wir dem Señor niemals vergessen!“ antwortete sie.
    „Also, Ihr wollt auch nach Rodriganda?“ fragte Alimpo den Arzt.
    „Ja.“
    „Ich habe noch den Schlüssel zu einer der Seitenpforten.“
    „Ich danke! Ich werde frei und offen in das Schloß gehen“, sagte Sternau stolz. „Sind noch viele der früheren Diener da?“
    „Mehrere.“
    „Gut. Habt Ihr eine Waffe, Alimpo?“
    „Ja.“
    „Gebt sie mir!“
    „Señor, ich gehe mit!“
    „Nein, Ihr bleibt! Ihr sollt nichts tun, was Euch später Schaden bringt. Ich reite allein.“
    „Señor Sternau, allein lasse ich Euch nicht gehen“, sagte da der Mönch. „Ich begleite Euch auf alle Fälle.“
    „Ihr werdet Euch nur Schaden machen, frommer Vater.“
    „Ich mir? Nein! Ihr werdet später erfahren, daß ich recht habe; ich brauche mich nicht zu fürchten.“
    „So reitet mit. Alimpo mag sich unterdessen zur Abreise vorbereiten.“
    „Soll ich einen Wagen besorgen?“ fragte der Kastellan.
    „Nein“, antwortete Sternau. „Es liegt jetzt auf allen Wegen Schnee, was in Spanien allerdings eine Seltenheit ist; nicht Wagen brauchen wir, sondern Schlitten. Ich bringe welche mit.“
    „Woher?“
    „Aus Schloß Rodriganda.“
    „Señor!“ rief da Alimpo erschrocken. „Ihr werdet Euch verraten!“
    „Pah, ich werde mich offen zeigen und für die Gräfin Rosa zwei Reiseschlitten verlangen. Ich werde sehen, ob man es wagt, sie mir zu verweigern. Vorwärts, Pater!“
    Er steckte die geladene Waffe zu sich, dann verließen sie das Haus. Er fühlte, daß er jetzt tausend Leben wagen würde, auch den stärksten Widerstand zu besiegen. Rosa mußte frei werden – um jeden Preis.
    Nach kurzer Zeit flogen sie auf der Straße von Larissa dahin. Es war nicht viel über eine halbe Stunde vergangen, als sie das Städtchen erreichten. Der Pater lenkte um dasselbe herum, auf einen einzeln stehenden Gebäudekomplex zu, der sich finster aus dem schneebedeckten Feld erhob.
    „Wie kommen wir hinein?“ fragte Sternau.
    „Über die Friedhofsmauer“, lautete die Antwort.
    Diese Mauer lag gerade vor ihnen. Sie war nur drei Ellen hoch, so daß sie, da sie zu Pferd saßen, über dieselbe hinwegblicken konnten. Jetzt hielten sie hart daran. Sternau sah hinüber und deutete nach einer dunklen Gestalt, welche vollständig unbeweglich zwischen den Gräbern kniete.
    „Was ist das?“ fragte er. „Ein Monument?“
    Der Pater sah schärfer hin und antwortete entsetzt:
    „Bei Gott, das ist sie!“
    „Wer? Doch nicht etwa die Gräfin?“
    „Und doch! Sie ist es!“
    „Zu dieser Zeit. In dieser Kälte. In diesem Schnee! Ah, ich verstehe! Sie soll erfrieren; sie soll auch körperlich erkranken! Daß sie entflieht, braucht man ja nicht zu besorgen! O ihr Schurken! Aber ihr macht es mir dadurch um so leichter!“
    Er stieg vom Sattel auf die Mauer und sprang dann jenseits von derselben herab. Nun schritt er auf die Gestalt zu. Sah sie ihn? Hörte sie sein Kommen? Nein. Sie kniete zwischen den Gräbern im tiefen, hartgefrorenen Schnee; sie bewegte nichts als nur die Lippen – sie betete. Er erkannte sie sofort – trotz des härenen Gewandes, in welches sie gekleidet war, trotz der eingesunkenen Augen und Wangen und trotz der leichenhaften Blässe, welche der helle Sternenschimmer auf ihrem Gesicht erkennen ließ.
    „Rosa!“ sagte er mit zitternder Stimme.
    Sie hörte es nicht.
    „Rosa“, bat er sie, „blicke mich an!“
    Auch dies hörte sie nicht.
    Er kniete neben ihr nieder und nahm sie in seine Arme. Er küßte sie und nannte sie bei den zärtlichsten Namen, sie aber hörte und fühlte es nicht. Sein Herz krampfte sich zusammen vor unendlichem Schmerz über den Anblick des einst so holden Wesens; er aber durfte nicht zaudern. Er nahm sie auf die Arme und trug sie zur Mauer. Dort gab er sie dem Pater hinüber und nahm sie dann, als er die Mauer übersprungen hatte und wieder aufgestiegen war, zu sich auf das Pferd.
    „Nun wieder zurück!“ sagte er.
    Im eiligsten Lauf schlugen die beiden Reiter jetzt den Weg nach Rodriganda ein. Als sie das Schloß vor sich erblickten, hielt Sternau sein Pferd an und sagte:
    „Jetzt habt Ihr

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