42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
die Reisenden nicht zu bekümmern, nahm aber ein Glas Wein, welches Alimpo ihm reichte, mit dankbarer Miene an.
So mochte die halbe Stunde fast vergangen sein, als man plötzlich draußen Pferdegetrappel und ein lautes, fröhliches Hallo hörte. Frau Elvira erbleichte, schlug vor Schreck die Hände zusammen und rief:
„Santa Madonna, die Gendarmen!“
Alimpo sprang hinzu und blickte hinaus; auch er machte ein Zeichen des höchsten Schreckens und meldete:
„Und der Corregidor ist dabei.“
„Welcher?“ fragte Sternau.
„Der Corregidor von Manresa.“
„Ach! Der kommt mir gerade recht!“
„O Señor, es ist keine Gegenwehr möglich. Es sind wohl gegen zwanzig Mann!“
Sternau überzeugte sich durch einen Blick von der Wahrheit dieser Worte und sagte entschlossen:
„Ich werde dennoch kämpfen!“
Da erhob sich der Fremde in der Ecke und sagte:
„Habt keine Sorge, Señor! Ihr steht unter meinem Schutz!“ Sternau blickte erstaunt auf den Sprecher und fragte:
„Wer seid Ihr?“
„Edler Freund, Ihr habt mir Wein gegeben; ich werde Euch beschützen. Seht Ihr nicht, daß der Pater bereits verschwunden ist? Wir kennen uns. Er holt Hilfe. Bleibt ruhig sitzen und laßt mich machen!“
Alimpo hatte sich mit seiner Elvira in den äußersten Winkel des Gemaches zurückgezogen. Sternau setzte sich wieder nieder, hielt aber die Waffen bereit. Draußen waren unterdessen verschiedene Rufe erklungen, aus denen Sternau hörte, was er von den Angekommenen zu erwarten hatte.
„Das sind sie!“ sagte ein Stimme.
„Ja, es sind die Schlitten und Pferde des Grafen!“ fügte eine andere hinzu.
„Wir werden die Prämie verdienen“, jubelte ein dritter.
„Steigt ab! Hinein!“ kommandierte ein vierter. Es war die Stimme des Corregidors von Manresa.
Jetzt wurde die Tür geöffnet, und einige Gendarmen traten ein, der Corregidor an der Spitze.
„Ah, Señor Sternau, da treffen wir Euch ja!“ sagte er, als er den Arzt erblickte.
„Allerdings!“ erwiderte dieser ruhig.
„Wie es scheint, hat es Euch in Barcelona nicht gefallen. Ihr seid entflohen, Señor. Das ist sehr schlimm für Euch. Außerdem habt Ihr bereits wieder einige neue Verbrechen begangen.“
„Welche denn?“
„Eine Entführung und einen Mord- und Raubanfall gegen die Bewohner von Rodriganda.“
„Das klingt allerdings höchst gefährlich!“ lächelte Sternau.
„Das ist es auch. Seht hier diese Handschellen! Ich muß Euch in Eisen legen und zurückbringen.“
„Versucht es einmal!“ sagte Sternau, sich erhebend, zur Gegenwehr bereit. Der Corregidor trat schnell und vorsichtig einen Schritt zurück und sagte:
„Ich warne Euch, Señor! Keine Gegenwehr! Hier stehe ich mit vier Gendarmen, und draußen vor dem Haus stehen weitere fünfzehn Mann. Ein Widerstand ist also vollständig unnütz!“
„Das glaube ich nicht!“
Diese Worte hatte der Mann in der Ecke gesprochen. Der Corregidor wandte sich erstaunt zu ihm.
„Wer seid Ihr?“
„Ein Freund dieser Herrschaften“, antwortete der Mann gleichgültig.
„Ah! So habt Ihr ihnen geholfen?“
„Nein; aber ich werde ihnen jetzt helfen.“
„So nehme ich auch Euch gefangen!“
„Oder ich Euch!“ lachte der Fremde.
„Mich?“ fragte der Corregidor zornig. „Mensch, wage nicht, mit mir Spaß zu treiben!“
„Blickt Euch um!“
Der Corregidor sah sich um und fuhr erschrocken zurück. Auch seine vier Gendarmen traten unwillkürlich zur Seite, denn durch die weit offen stehende Tür ragten wenigstens zehn geladene Büchsenläufe herein, und im Vordergrund des Hausflurs sah man noch mehrere Männer stehen, welche ihre Gewehre gegen die ganz ohne Deckung draußen bei den Schlitten haltenden Gendarmen hielten.
„Nun?“ fragte der Fremde. „Wie gefällt Euch das, mein tapferer Señor Corregidor? Ich sage Euch, daß ich die Gewehre meiner Leute gar nicht brauche, um Euch das Maul zu stopfen. Seht Euch diesen Hund an! Auf einen Wink von mir reißt er Euch und Euren vier Gendarmen die Gurgel auf. Hier in den Bergen wissen wir mit Leuten Eures Schlages umzugehen!“
„Mein Gott, wir sind verloren!“ sagte der Corregidor.
„Ja, das seid Ihr! Noch haben Eure Leute draußen keine Ahnung, was hier im Haus vorgeht. Es handelt sich um Euer Leben. Wollt Ihr gehorchen oder nicht?“
„Was soll ich tun“, fragte er kleinlaut.
„Befehlt Euren Leuten, die Waffe zu strecken und uns die Pferde zu übergeben!“
„Das – das geht nicht!“ sagte der Corregidor voller
Weitere Kostenlose Bücher