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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nach kurzer Überlegung vorteilhafter dünkte, etwas zu bekommen, als etwas zu geben, so nahm er sich die Frau und behielt sein Geld.
    Sie lebten nun sehr glücklich und zufrieden miteinander, einen einzigen Punkt ausgenommen, über den sie sich nicht zu einigen vermochten. Master Wallot behauptete nämlich, er habe die Schwindsucht, weil ihn seine Frau zu Tode ärgere; Mistress Wallot aber behauptete, er habe die Schwindsucht vom allzu vielen Whiskytrinken. Wie dem nun auch sei, die Schwindsucht war da, und als kein Mittel mehr half, da siedelte er nach Madeira über, weil in dem Klima dieser Insel kein Schwindsüchtiger sterben kann. Er starb aber doch. Mistress Wallot stand nun allein und kaufte sich in Funchal, der Hauptstadt von Madeira, ein Matrosenhaus, um zu Ehren ihres seligen Master Wallot Whisky an die dort verkehrenden Seeleute auszuschenken.
    Sie war als tüchtige Wirtin unter allen seefahrenden Nationen berühmt, denn sie hatte nicht nur den besten Whisky, sondern auch den stärksten Rum und infolgedessen den steifsten Grog; sie hielt auf Ambition und Ordnung, duldete keinen Schlendrian im Bezahlen und wußte ihr Hausrecht in eigener Person so kräftig zu wahren, daß schon mancher Maat beschämt gestehen mußte, von Mutter Dry vor die Tür gesetzt worden zu sein. Mutter Dry wurde sie ihrer Gestalt wegen genannt, denn Dry ist ein englisches Wort und bedeutet soviel wie hager, schmächtig oder dürr.
    Mutter Dry stand vom frühen Morgen bis zum späten Abend in ihrem Schankstand; sie kannte alle Matrosen, Steuerleute und Kapitäne, aber mit Frauen verkehrte sie niemals. Sie hatte nur eine einzige Freundin, eine wahre, treue und gute Freundin, und diese war eben Jeffrouw Mietje, die der Leser leider nicht gekannt hat.
    Wer aber war diese Jeffrouw Mietje?
    Nun, da lag eben jetzt im Hafen von Funchal ein Barkschiff, wie man sich kein saubereres denken konnte. Das Gallionsbild war hell vergoldet, das Deck spiegelblank gescheuert; das Segeltuch war schneeweiß gebleicht und der Rumpf so neu kalfatert und verteert, als ob die Barke soeben erst vom Stapel gelaufen sei. Und vorne am Bug und hinten am Stern konnte man in großen goldenen Buchstaben den Namen ‚Jeffrouw Mietje‘ lesen. Dieses nette Barkschiff war aber dennoch die richtige Jeffrouw Mietje nicht, sondern die richtige, die wirkliche, saß droben auf dem Quarterdeck unter der Sonnenleinwand und strickte Strümpfe für die holländische Mission, damit die lieben Heidenkinder nicht immer barfuß zu laufen brauchten.
    Diese Jeffrouw Mietje war ein echtes Bild holländischer Sauberkeit und Behaglichkeit. Die gute Frau war einige Zentner schwer; ihr gutmütiges Gesicht glänzte förmlich vor Fleisch und Wohlbehagen, und der treue, herzige Blick ihrer Augen ließ erraten, daß sie sich in ihrem ganzen Leben mit noch keinem Menschen gezankt habe. So still sie selbst saß, ihre fetten Hände waren doch in steter Bewegung. So fest und derb ihre schwere Gestalt auf den Stuhl drückte, so fest und derb war auch ihr Charakter. Sie saß da wie die gute Fee des Schiffes, dem sie ihren eigenen Namen gegeben hatte.
    Sie also war Jeffrouw Mietje. Ihr Mann aber war Mynheer Dangerlahn, der Kapitän und Besitzer des Barkschiffes. Beide hatten sich so gern und waren so aneinander gewöhnt, daß sie sich nicht zu trennen vermochten. Darum hatte Jeffrouw Mietje ihre Heimat auf dem Schiff aufgeschlagen; sie fuhr immer zwischen den Niederlanden und Ostindien hin und her, und jedesmal, wenn sie im Hafen von Funchal Anker warfen, hatte sie die Freude, Mutter Dry, ihre Busenfreundin, besuchen zu können.
    So auch heute. Der Anker der Barke hatte erst vor zwei Stunden Grund gesucht. Jetzt war der Kapitän an Land gegangen, kehrte er zurück, so konnte Mietje ans Ufer setzen. Darum saß sie jetzt da oben auf dem Quarterdeck und strickte an der Ferse ihres Missionsstrumpfes mit einer Miene, als ob sie im nächsten Augenblick das große Los zu erwarten habe.
    Und was tat Mynheer Dangerlahn an Land?
    Hm, was sollte er tun? Er saß in der hinteren Stube bei Mutter Dry und unterhielt sich mit den dort anwesenden Kapitänen und Steuerleuten. In diesem Zimmer fanden nämlich nur volle Seeleute Zutritt, Matrosen hatten nur im vorderen Zimmer zu verkehren.
    „Ja“, sagte einer der anwesenden Kapitäne, „es ist so, wie ich sage: Der ‚Schwarze‘ ist wieder los.“
    „Wißt Ihr es denn gewiß?“ fragte ein anderer.
    „Sicher und gewiß, denn ich habe einen aufgefischt.“
    „Nun,

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