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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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antwortete Kurt.
    „Halt's Maul, Grünschnabel!“ zürnte der auf sich selbst wilde Mann.
    „Grünschnabel?“ rief Kurt. „Oho! Was liegt denn da drüben hinter dem Rotbuchenbusch?“
    Die Leute sahen nach der angedeuteten Richtung.
    „Der Fuchs! Weiß Gott, der Fuchs!“ rief Ludewig.
    Allerdings war es der Fuchs – und die übrigen beiden Dachsel bei ihm, welche ihn am Fell zausten.
    „Na, bin ich ein Grünschnabel?“ fragte der Knabe.
    „Du? Willst du ihn etwa geschossen haben?“
    „Wer denn sonst?“
    „Geh fort. Das ist der Franz oder der Ignaz dahier gewesen.“
    Der Knabe antwortete nur dadurch, daß er den Kopf stolz in den Nacken warf und eine Patrone hervorzog, um den abgeschossenen Lauf wieder zu laden.
    „Nein, ich war es nicht“, sagte Franz. „Ich habe gar nicht geschossen.“
    „Ich auch nicht“, erklärte Ignaz.
    „Alle Wetter, so ist es der Teufelsjunge wirklich gewesen!“ rief Ludewig. „Aber, Kerl, wie kommst du denn auf den Gedanken, dort hinüber zu zielen?“
    „Weil ich hörte, daß der Fuchs da ausbrechen wollte, und weil ich gesagt habe, daß ich Euch den Hundeschuß überlassen werde.“
    Der Jäger wurde vor Beschämung blutrot im Gesicht. Er hatte sich allerdings ganz gewaltig blamiert, ganz abgesehen davon, daß ein guter und bewährter Jagdhund nun hin war.
    „Aber der Fuchs konnte doch eigentlich gar nicht heraus“, entschuldigte er sich. „Das Loch war ja verstopft worden!“
    „Aber nicht gut“, sagte Franz. „Da schau her. Das bißchen Reisig tut es nicht; der Fuchs hat ja hindurchblicken können.“
    „Verdammter Fall dahier“, meinte Ludewig, indem er sich verdrießlich und beschämt hinter den Ohren kratzte. „Wie bringe ich es nun dem Herrn Hauptmann bei, daß ich die Waldina ermordet habe?“
    „Sinne dir das selber aus. Jetzt wollen wir uns vor allen Dingen den Fuchs ansehen.“
    Sie traten hinzu und jagten die Hunde weg. Es war ein altes Tier, ein erfahrener Schlaukopf, der jedenfalls schon öfter im Bau angegriffen worden war und ganz genau wußte, daß am Hauptloch der Tod auf ihn lauerte, er war so klug gewesen, die Verstopfung des Nebenganges mit der Schnauze fortzuschieben und dann auszubrechen. Die Kugel des Knaben war ihm quer durch den Kopf gegangen, was allerdings nicht dem sicheren Zielen, sondern nur allein dem Zufall zu verdanken war.
    „Ja, es ist deine Kugel gewesen, Junge“, erklärte Ludewig. „Du bist ein Teufelskerl! Schießt dahier mit fünf Jahren einen Fuchs, während ich alter Knabe einen braven Hund umbringe. Ich habe die fürchterlichsten Maulschellen verdient. Na, Gott gnade mir, wenn es der Herr Hauptmann erfährt. Du aber, Junge, sollst deine Ehre haben. Komm her, ich werde dir den Bruch auf den Hut stecken.“
    Der Bruch heißt nämlich in der Jägersprache ein belaubter Zweig, welchen man sich auf den Hut steckt, um anzuzeigen, daß man ein zur hohen Jagd gehöriges Stück Wild geschossen habe. Ludewig brach einen Buchenzweig ab, an dem sich trotz des Winters noch die Blätter befanden, und griff nach Kurts Hut, um den Zweig daranzustecken. Der Knabe aber trat mit trotzigem Gesicht zurück.
    „Ich brauche den Bruch nicht“, erklärte er.
    „Warum nicht?“
    „Du hast mir ja stets gesagt, daß der Bruch ein Ehrenzeichen ist.“
    „Nun ja, das ist er auch dahier.“
    „Aber ein solches Ehrenzeichen darf nur einer tragen, der auch Ehre im Leibe hat.“
    „Alle Teufel, ich begreife dich nicht. Ich hoffe aber, daß du Ehre im Leib hast, Kleiner. Oder nicht?“
    „Hat einer Ehre, der sich ungestraft beleidigen läßt, he?“
    Der kleine fünfjährige Bub stand in einer Haltung da, als wolle er den Jäger auf die Mensur fordern.
    „Ah, du bist beleidigt worden?“ fragte Ludewig erstaunt.
    „Ja.“
    „Von wem denn dahier?“
    „Von dir. Aber ich leide es nicht; ich lasse es nicht sitzen!“
    „Ja, aber wie denn?“
    „Hast du mich nicht etwa einen Grünschnabel genannt, he? Du, du! Der selber so schießt wie ein echter, richtiger Grünschnabel.“
    Die anderen beiden wollten über diesen Zornesausbruch lachen, hielten ihre Heiterkeit aber zurück, als sie sahen, daß Ludewig ernst blieb. Ja das Auge des Jägers glänzte sogar feucht; er war tief gerührt über das ehrenhafte, energische Auftreten seines Zöglings; er sagte sich ja, daß auch er sich einen Teil des Verdienstes zuzuschreiben habe, aus dem ungewöhnlich veranlagten Knaben einen tüchtigen Mann machen zu wollen. Dann trat er auf ihn zu,

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