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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mein Herz.“
    „Wer sonst?“
    „Es ist eine sehr gute und liebe Frau, die dich gern sehen wollte.“
    „Oh, eine Fremde!“ rief sie erschrocken. Und zugleich bemerkte sie erglühend, daß sie im Negligé vor dem Geliebten lag. „Wer ist sie?“
    „Meine Mutter.“
    Rosa sah ihn erst an, als ob sie ihn nicht verstehe, dann aber rief sie in großer Freude:
    „Deine Mutter? O welch ein Glück, welch eine Überraschung! Rufe sie her! Schnell, schnell!“
    „Aber, Rosa, du mußt französisch mit ihr sprechen, sie versteht das Spanische nicht.“
    „Sie mag nur kommen. Schnell!“
    „Mutter“, bat Sternau, „komm her! Sie will dich sehen!“
    „Mein Sohn, ich verstehe die Worte nicht, welche ihr redetet, aber ich hörte, daß sie bei Bewußtsein ist und daß ihr glücklich seid. Ist es so?“
    „Ja. Oh, Gott hat unser Gebet über alle Maßen erhört. Komm!“
    Da kam sie langsam herbei. Rosa hatte ihr Schlafgewand dichter drapiert und sich aufgerichtet. Sie streckte der Nahenden mit freudeglänzendem Angesicht die Hände entgegen und sagte:
    „Sie sind die Mutter meines Carlos? Seien Sie mir tausendmal gegrüßt. Oh, nun habe auch ich eine Mutter. Darf ich Ihre gute, folgsame Tochter sein?“
    Frau Sternau legte ihr unter strömenden Tränen beide Hände auf das Haupt und sagte:
    „Mein Kind, ich flehe Gottes reichsten Segen herab auf Ihr teures Haupt. Ich würde mein Leben hingeben, um glücklich zu sein!“
    Sie hielten einander in stiller Umarmung umschlungen; da erhob sich Sternau, verließ das Gemach und rannte zum Hauptmann.
    „Victoria, gesund, gesund!“ stürmte er bei diesem zur Tür hinein.
    „Himmeldonnerwetter!“ rief dieser ganz erschrocken; dann aber besann er sich und sprang auf. „Ist es wahr, wirklich wahr?“
    „Ja.“
    Da warf der Hauptmann beide Arme in die Luft und schrie, was er nur schreien konnte:
    „Hurra! Hussa! Sapperment! Gesund! Halleluja! Gesund! Victoria! Himmelheiliges Hagelwetter! Hosianna Davids Sohn! Kann man zu ihr? Kann man sie sehen?“
    „Nein.“
    „Das ist ärgerlich! Das ist grausam! Das ist geradezu unmenschlich! Aber etwas muß ich tun. Was mache ich nur vor Freude? Schlage ich ein halbes Dutzend Menschen tot, oder reiße ich die Kirche ein? Warte, ich hab's!“
    Wie aus einer Pistole geschossen, rannte er hinaus. Sternau begab sich sogleich wieder in das Krankenzimmer zurück, denn er mußte verhüten, daß die Unterhaltung der beiden Frauen auf Gegenstände kam, von denen Rosa noch nichts wissen durfte, sie lag noch in den Armen der Mutter. Sie sprachen nicht, sie weinten nur und liebkosten sich. Rosa streckte ihm die Hand entgegen.
    „Mein Carlos, ich danke dir für die Mutter, die du mir gegeben hast. Oh, wie lieb habe ich sie bereits. Aber ist es wahr, daß ich krank gewesen bin?“
    „Ja, mein Herz.“
    „Lange?“
    „Sehr lange.“
    „So ist es nicht gestern geschehen, was ich vorhin erzählte?“
    „Nein, sondern vor drei Monaten.“
    „Vor drei Monaten?“ flüsterte sie erstaunt. „So war ich wohl ganz ohne Besinnung?“
    „Ganz und gar.“
    „Und du hast mich geheilt, du?“
    „Gott gab es zu, daß ich das rechte Mittel traf.“
    „Und wo sind Alfonzo, Cortejo, Alimpo und meine gute Elvira?“
    „Alimpo und Elvira sind hier. Das andere sollst du später erfahren, mein Leben. Du darfst noch nicht viel sprechen; du mußt dich schonen!“
    „Ich werde dir gehorchen. Nur eines sage mir: Wo bin ich hier?“
    „Bei einem guten Freund von uns allen.“
    „Nicht auf Rodriganda?“
    „Nein. Du sollst es heute noch erfahren.“
    „Und“, fragte sie stockend, „mein Vater? Ist es wahr, daß er zerschmettert worden ist?“
    „Nein, er lebt. Nun aber schweige, mein Herz, sonst wirst du wieder krank!“
    In diesem Augenblick klangen einzelne Waldhorntöne vom Hof herauf, und dann erklang vierstimmig in getragenem Tempo der Choral:
    „Wie wohl ist mir, o Freund der Seele,
   Wenn ich in deiner Liebe ruh'!
Ich steige aus der Schwermutshöhle
   Und eile deinen Armen zu.
Da muß die Nacht des Traumes scheiden.
   Wenn mit so angenehmen Freuden
Die Liebe strahlt aus deiner Brust,
   Hier ist mein Himmel schon auf Erden,
Wer wollte nicht vergnüget werden,
   Der in dir suchet Ruh' und Lust!“
    „Was ist das? Was war das?“ fragte Rosa mit verklärtem Lächeln im Angesicht.
    „Das ist ein frommes Kirchenlied, welches unser Freund dir zu Ehren blasen läßt. Ich war jetzt bei ihm und habe ihm gesagt, daß du genesen

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