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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schon jetzt spreche.“
    Um dieselbe Zeit, in welcher dieses wichtige Gespräch geführt wurde, saß Sternau am Bett seiner Kranken. Außer ihm befand sich nur noch seine Mutter im Zimmer. Sie saß bei einer Arbeit, hinter der dichten Fenstergardine verborgen. Die Gräfin hatte vom ersten Augenblick an bis jetzt in ununterbrochener Ruhe geschlafen. Sie hatte wie ein schönes Marmorbild im Bett gelegen; kein Härchen hatte sich bewegt, keine Wimper gezuckt, kein Atemzug war hörbar gewesen.
    „Mutter!“ klang es da leise durch die tiefe Stille des Raumes.
    „Mein Sohn?“ fragte sie ebenso leise.
    „Komm einmal her!“
    Sie erhob sich und glitt hin an seine Seite. Ihr ängstlich fragender Blick traf sein Auge und fand darin einen leisen Hoffnungsschimmer.
    „Fühle diese Hand!“ bat er.
    Sie nahm die marmorweiße Hand der Schlafenden in die ihrige und nicke dem Sohn freudig zu.
    „Und fühlst du den Puls, Mutter?“
    „Ja, wahrhaftig!“
    „Sieh die Lippen, wie sie sich röten, und der bleiche Todesglanz ist von den Wangen gewichen! Gehe zum Hauptmann und melde ihm, daß die Gräfin in einer Stunde erwacht sein wird!“
    „Mein Sohn! Ist's wahr?“
    „Ja.“
    Da zog sie den Kopf ihres Sohnes an ihr Herz, streichelte ihm zärtlich die Wange und fragte leise:
    „Wird es zum Glück sein?“
    „Das steht bei Gott! Mutter, ich bete soeben so inbrünstig wie noch nie in meinem Leben!“
    „Gott der Herr mag dein Gebet erhören. Du verdienst dieses Glück, mein gutes Kind!“
    Sie glitt lautlos zur Tür hinaus, kam nach kurzer Zeit wieder zurück und nahm ihren vorigen Sitz wieder ein. Aber arbeiten konnte sie nun nicht mehr – auch sie betete aus vollem, treuem Mutterherzen, daß Gott barmherzig sein und die nächste Stunde zum Heil wenden möge. Sie kannte ihren Sohn; sie wußte, daß er das Fehlschlagen seiner Hoffnung nie überwinden werde.
    Eine halbe Stunde verging, da hörte man bereits die leisen Atemzüge der Kranken und sah, wie die Decke sich über der wogenden Brust hob und senkte. Dann röteten sich die Wangen; jetzt, jetzt bewegte sich die Hand, der ganze Arm, und die Lider zuckten. Und wieder nach kurzer Zeit legte die Schlafende den Kopf langsam auf die Seite. Die Brust Sternaus wollte zerspringen; aber er hielt die warme Hand der Kranken in der seinigen und blieb äußerlich ruhig, obgleich es in seinem Innern tobte und stürmte.
    Jetzt legte sie das Gesicht herüber nach seiner Seite, und sein scharfes Auge sah, daß die Lider jenes Zucken verrieten, welches dem Erwachen vorherzugehen pflegt. Und nicht lange dauerte es, so erhoben sie sich langsam, langsam. Das Auge öffnete sich, blickte erst starr geradeaus.
    „Allgütiger Himmel, hilf! Jetzt entscheidet es sich!“ flehte Sternau im stillen.
    Das Auge bekam dann jenen träumerischen Ausdruck, welcher dem Erwachen eigen ist, und richtete sich endlich mit dem Licht des vollständigen Bewußtseins auf die umgebenden Gegenstände.
    „Gewonnen!“ jubelte es in der Seele des Arztes.
    Das Auge Rosas glitt von Gegenstand zu Gegenstand, und ein tiefes Befremden malte sich in ihren Zügen. Da fühlte sie, daß ihre Hand gehalten wurde. Schnell und erschrocken suchte ihr Blick den, der diese Berührung wagte; sie sah Sternau, sie erkannte ihn und fuhr empor.
    „Carlos, mein Carlos!“ rief sie. „Du bist es?“
    „Ja, mein Leben, meine Seligkeit, ich bin es“, antwortete er mit zitternder Stimme.
    „Wo bin ich? Wie lange habe ich geschlafen?“
    „Beruhige dich, du bist bei mir“, bat er, die Arme um sie schlingend und sie an sein Herz ziehend.
    „Ja, ich bin still, denn ich bin bei dir“, sagte sie innig, indem sie ihm den Mund zum Kuß bot. „Aber ich muß lange, sehr, sehr lange geschlafen haben.“
    „Sehr lange. Du warst krank.“
    „Krank?“ fragte sie nachdenklich. „Wie ist's denn. Ich habe ja gestern meine Amy nach Pons begleitet, und dann – ah, dann warst du fort. Ich bin nach Manresa zum Corregidor gefahren und habe mich mit Alfonzo und Cortejo gezankt, um zu erfahren, wo du bist. Dann wurde oben bei Cortejo geschossen; später ward mir sehr übel, und ich wollte schlafen gehen, bin aber im Gebet eingeschlafen. Wo warst du, mein Carlos?“
    „Ich war in Barcelona“, antwortete dieser.
    „Ohne mir vorher etwas zu sagen, du Böser!“
    Da klang ein leises, unterdrücktes Schluchzen hinter der Fenstergardine hervor. Rosa hörte es.
    „Wer weint? Wer ist hier?“ fragte sie, „ist es meine gute Elvira?“
    „Nein,

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