Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
silbernen Münzen geschmückt und mit schimmernden Ketten durchflochten.
    Alles drängte sich zu ihr, um sich aus den Linien der Hand wahrsagen zu lassen. Um die anderen Glieder der Truppe kümmerte sich fast niemand.
    Cortejos Herz klopfte fast hörbar. Was war Clarissa gegen diese Zigeunerin! Sie mußte sein werden, und wenn er ihretwegen hundert Mordtaten begehen sollte! Er wartete einen Augenblick ab, an dem sie nicht in Anspruch genommen war, und trat zu ihr.
    „Wie ist dein Name, schöne Zingarita?“ fragte er.
    Zingarita ist der Zärtlichkeitsname für eine Zigeunerin.
    Sie blickte zu ihm auf, sah forschend in seine Augen und sagte dann:
    „Man nennt mich Zarba, Señor.“
    „Wohlan, willst du mir wahrsagen, Zarba?“
    „Reicht mir Eure Hand!“
    Er gab ihr ein Goldstück, welches er zu diesem Zweck bereitgehalten hatte, und sagte leise:
    „Nicht hier, mein schönes Kind. Ich muß länger mit dir sprechen.“
    Sie betrachtete die reiche Gabe mit freudeglänzenden Augen und antwortete ebenso leise wie er:
    „Warum, Señor?“
    „Weil ich dich liebe!“
    „Ihr liebt mich, die arme Gitana, die arme Zingarita? Señor, das glaube ich nicht!“
    „Oh, glaube es doch, du süßes Mädchen, und sage mir, wo ich dich treffen kann!“
    „Wann?“
    „Heute!“
    „Heute! Da wird es sehr spät möglich sein!“
    „Ich komme, wohin und wann du willst!“
    Ihr Gesicht glänzte in unschuldiger und heller Freude darüber, daß sie von einem so vornehmen Señor geliebt werde. Sie war eine Tochter des Südens, sie war das Kind eines verachteten Stammes; sie beschloß, diesem Abenteuer zu folgen. Darum ergriff sie seine Hand, um die Umstehenden glauben zu machen, daß sie ihm weissage, flüsterte aber leise ihm zu:
    „Kennt Ihr die Straße nach Hueska, Señor?“
    „Ja.“
    „Dort rechts von der Straße, am Fluß Gallego und hart an der Stadtmauer haben wir unser Lager aufgeschlagen.“
    „Ich werde es finden.“
    „Nein, das sollt Ihr nicht. Es soll niemand wissen, daß ich Euch treffe. Weiter aufwärts am Fluß stehen fünf Silberpappeln eng beisammen.“
    „Diese kenne ich.“
    „Dort sollt Ihr mich erwarten.“
    „Wann?“
    „Gerade eine Stunde nach Mitternacht. Nun geht, man beobachtet uns.“
    „Wirst du mir auch Wort halten, Zarba?“ fragte er.
    Sie blickte mit einem aufrichtigen Aufschlag ihrer Augen zu ihm empor und antwortete:
    „Ich sage Euch die Wahrheit. Und Ihr, Señor?“
    „Ich schwöre dir, daß ich sicher kommen werde!“
    Sie gab seine Hand frei, und er ging zur Seite. Dort beobachtete er mit Entzücken noch eine Zeitlang die gewandten, graziösen Bewegungen ihres bildschönen Körpers, dann entfernte er sich, um sich von dem tollen Wirbel der Masken wieder mit fortreißen zu lassen.
    Dabei gelangte er wieder in die Gegend, in welcher das Haus des Bankiers Salmonno lag. Er blieb stehen und überflog die Front desselben mit forschenden Blicken, konnte aber keine Spur von der Gesuchten bemerken. Der Balkon, auf welchem sie gestanden hatte, war verschlossen und das daneben befindliche Fenster verhängt.
    Da trat ein junger Mann aus dem Eingang. Er trug die Kleidung gewöhnlicher Arbeiter und hatte ein Paket Briefe in der Hand. Sofort war Gasparino Cortejo an seiner Seite. Er fragte in einem höflichen Ton:
    „Verzeihung, Señor! Seid Ihr vielleicht im Geschäft des Bankiers Salmonno angestellt?“
    „Ja“, lautete die Antwort.
    „Als was?“
    „Ich bin nur Austräger“, sagte der Mann in bescheidenem Ton.
    „Habt Ihr vielleicht fünf Minuten Zeit?“
    „Wozu?“
    „Um in der nächsten Venta ein Glas Wein mit mir zu trinken.“
    „Oh, ein Glas Wein schlägt man niemandem aus; nur muß man wissen, welchen Zweck die Gabe hat.“
    „Der Zweck ist sehr einfach: Ich beabsichtige, mich bei Euch nach etwas zu erkundigen.“
    „Ihr sollt Auskunft haben, Señor. Wenn meine Briefe etwas später zur Post kommen, so ist es mir gleich. Dieser Knicker von Prinzipal hat uns heute zum Karneval keine Stunde freigegeben.“
    „So gebt Euch selber wenigstens eine Viertelstunde frei“, lachte Cortejo.
    Er führte den Mann nach der nächsten Weinschenke, wo er sich eine Flasche Wein mit zwei Gläsern geben ließ. Nachdem er eingeschenkt und angestoßen hatte, begann er, ohne seine Maske abzunehmen:
    „Euer Prinzipal scheint eine Art von Geizhals oder Filz zu sein, da er Euch selbst am heutigen Tag keine freie Stunde gönnt?“
    „Das ist er allerdings, Señor.“
    „Ist er denn so arm, daß er

Weitere Kostenlose Bücher