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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sah, hielt ich mich bereit, Ihnen beizustehen. Nur aus diesem Grund hörte ich sofort Ihren Hilferuf. Leben Sie wohl, Fräulein Wilhelmi!“
    Er ging, und sie wagte nicht, ein Wort zu sprechen. Was hatte sie getan! Für ihn, der sein Leben für sie lassen würde, hatte sie keinen warmen Blick gehabt, und der erstbesten Maske hatte sie die Schleife vom Busen hingeworfen. Es stiegen ihr die Tränen des Ärgers und der Reue in die Augen. Was mußte er von ihr denken, er, der alles mit angesehen hatte! Wie stolz und selbstbewußt hatte er dem frechen Eindringling gegenübergestanden. Oh, es war ihr, als ob sie ihn dennoch lieben, als ob sie stolz auf ihn sein könne.
    „Wenn Sie nicht beabsichtigen, Ihr Zimmer zu verschließen“, hatte er gesagt. Oh, damit hatte es keine Not! Sie verschloß es und schob noch den Riegel vor, und dann tat sie dasselbe auch mit der Balkontür. Sogar die Gardinen des Fensters zog sie eng zusammen. Sie wollte sich isolieren, sie wollte allein sein und von dem Karneval nichts mehr sehen und nichts mehr hören.
    Gasparino Cortejo, der Mexikaner, war die Straße auf und ab geschritten, hatte aber dabei die Tür des Hauses immer im Auge behalten. Da endlich sah er den Perser wieder heraustreten, und zugleich bemerkte er, daß derselbe noch an seiner Kleidung herumnestelte, als ob etwas daran beschädigt worden sei. Er drängte sich durch das Maskengewühl zu ihm hin.
    „Ah, Gasparino“, brummte der Perser; „gut, daß du kommst! Sieh einmal meinen Rücken an!“
    „Warum?“
    „Ob er vielleicht schmutzig ist.“
    „Nein. Darf ich fragen, wie das kleine Abenteuer abgelaufen ist?“
    „Hole dich der Kuckuck! Aber mein muß sie werden, mein um jeden Preis! Sie ist zu köstlich!“
    Cortejo lachte unter seiner Larve schadenfroh. Er hörte ja, daß der Herzog ein Fiasko erlebt hatte. Vielleicht hatte er gar Prügel erhalten und war dann zur Treppe herabgeworfen worden, da er so um den Schmutz seines Anzuges besorgt war. Während sie weiterschritten, fragte Cortejo:
    „Es war eine Dame?“
    „Pah, eine Gouvernante!“
    „O weh!“
    „Aber ein Teufelchen. Sie hat sich gewehrt wie eine Katze. Du wirst dich nach ihr erkundigen, bald, noch heute! Ich muß wissen, ob es möglich ist, diese Katze zu kaufen oder wegzufangen.“
    „Dann muß ich freilich um Urlaub bitten!“ sagte der Haushofmeister, dem es sehr gelegen war, von seinem Herrn fortzukommen. Auf diese Weise wurde es ihm möglich, seinem Vergnügen auf eigene Faust und ohne lästige Beaufsichtigung nachzugehen.
    „Du sollst den Urlaub haben“, antwortete der Herzog.
    „Wann?“
    „Gleich jetzt und solange du willst. Aber ich verlange, daß du mir einen sicheren Bescheid bringst!“
    Sie trennten sich. Cortejo wartete, bis der Perser in der Ferne verschwunden war, und ging dann seine eigenen Wege. Er kam nach einiger Zeit vor die Kirche Nuestra Señora del Pilar, welche die berühmteste Saragossas ist und in welcher sich auf einer Jaspissäule eine wundertätiges Marienbild befindet, das von der katholischen Kirche zu den größten Heiligtümern gezählt wird.
    Vor dieser Kirche ging es lebhaft zu, am lebhaftesten aber um eine Gruppe von Zigeunern, die sich da niedergelassen hatte, um dem andrängenden Publikum zu weissagen. Er trat näher, um zu sehen, ob es echte Zigeuner seien oder ob sich eine Gesellschaft lustiger Leute nur den Spaß gemacht habe, sich als Gitanos zu verkleiden. Es gelang ihm, sich durch das Gedränge hindurchzuschieben.
    „Ah!“ entfuhr ihm da ein Ausruf höchster Verwunderung. „Welch eine Schönheit!“
    „Nicht wahr!“ stimmte ein Domino bei, der neben ihm stand und seinen Ausruf vernommen hatte. „Ein solches Kind bekommt man nicht allzuoft zu sehen, Señor. Meint Ihr es nicht auch?“
    „Ich bin vollständig mit Euch einverstanden“, antwortete Cortejo, dessen Augen mit fast trunkener Bewunderung an dem Gegenstand hingen, der ihm seinen Ausruf entlockt hatte.
    Es war dies ein Zigeunermädchen von einer Schönheit, wie er sie noch niemals gesehen hatte. Sie trug über dem schneeweißen Hemd nichts als ein vorn offenes, leichtes, mit Goldschnüren besetztes Jäckchen und einen kurzen roten Rock, der kaum einen Zollbreit über die Knie herabhing und ein Paar Beine mit Füßchen sehen ließ, wie sie der größte Bildhauer nicht entzückender dem Meißel hätte entspringen lassen können. Das volle, schwere rabenschwarze Haar hing in vier langen, schweren Flechten fast bis zur Erde herab und war mit

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