Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
heute abend wiederkommen?“
    „Alle Abende!“
    „Solange ihr dableibt?“
    „Ich werde es der Mutter sagen, daß sie noch in Saragossa bleiben soll.“
    „Wird sie es tun?“
    „Sie wird es tun; sie wird bleiben, solange es mir gefällt.“
    „Hast du den Gartenschlüssel?“
    „Ja.“
    „Und das Päckchen mit dem Knabenanzug?“
    „Ja.“
    „Also, du kommst von jetzt an nur als Knabe, schleichst dich in den Garten und gibst mir das Zeichen, auf welches ich die Strickleiter aus meinem Fenster lasse, damit du gleich direkt zu mir gelangst und nicht im Palais gesehen wirst. Komm!“
    Er brachte sie in den Garten und kehrte dann in sein Schlafzimmer zurück, um noch einige Stunden der Ruhe zu pflegen, während Zarba, die Betrogene, dem Lager zuschlich, wo ihre in Lumpen gehüllten, ahnungslosen Verwandten um das Feuer hockten.
    Am nächsten Morgen konnte man in den drei Blättern der Stadt Saragossa, ‚El Diario de Zaragoza‘, ‚El Imparcial‘ und ‚Saldubense‘, folgende Annonce lesen:
    „Gesucht wird zum sofortigen Antritt bei hohem Gehalt und dauernder Stellung in einem feinen, hochadeligen Haus eine Gouvernante von womöglich deutscher Abstammung. Adressen nimmt die Expedition dieses Blattes entgegen.“ –
    Fräulein Wilhelmi erhielt die Zeitungen gewöhnlich erst gegen Mittag, wenn sie im Kontor nicht mehr gebraucht wurden. So war es auch heute.
    Sie fand diese Annonce und richtete sofort ihre ganze Aufmerksamkeit auf dieselbe. Sie versuchte, sich ihre Lage zurechtzulegen; sie dachte daran, daß Sie bei Salmonno nicht bleiben könne, und sah es schließlich als eine Fügung Gottes an, daß er ihr dieses Blatt mit der Annonce in die Hände geführt hatte.
    Bereits nach einer Stunde ging sie aus, um ihre Adresse versiegelt in der Expedition des ‚Diario de Zaragoza‘ niederzulegen.
    Sie sprach über diesen Schritt mit keinem Menschen ein Wort und wartete mit großer Spannung auf den Erfolg desselben. Sie sollte ihn bereits am nächsten Tag bemerken. Es klopfte höflich an ihre Tür. Schon glaubte sie, daß es Sternau sei, aber auf ihren Ruf trat nicht dieser, sondern ein reich galonierter Diener herein.
    „Verzeihung!“ sagte er mit einer tiefen Verbeugung. „Sie sind Señora Wilhelmi?“
    „Ja.“
    „Ich diene im Palais Seiner Exzellenz des Herzoges von Olsunna und soll Sie fragen, zu welcher Zeit man Sie heute dort empfangen könnte.“
    Sie errötete vor freudigem Schreck, fragte aber doch:
    „In welcher Angelegenheit erwartet man mich dort?“
    „Ich kann dies nicht sagen, Señora, aber der Herr Haushofmeister deutete an, daß es sich um die Erledigung einer Annonce handelt.“
    „Und Sie erwarten von mir die Angabe, wann ich mich vorstellen kann?“
    „Allerdings.“
    „Würde die Zeit um drei Uhr gut gewählt sein?“
    „Ich bin überzeugt davon.“
    „So bitte ich, mich Serenissimus zu empfehlen. Ich werde zu der angegebenen Zeit pünktlich erscheinen. Wo liegt das Palais?“
    „Es ist Strada Domenica, Nummer 10. Leben Sie wohl!“
    Als der höfliche Mann verschwunden war, blieb die Gouvernante in einem Zustand zurück, der mit einem glücklichen Traum verglichen werden konnte. In das Haus eines Herzogs sollte sie eintreten! Und wie höflich war dieser Herzog gegen sie! Sie selbst hatte die Stunde zu bestimmen gehabt! Wie würde sich Salmonno ärgern! Was würde Sternau sagen! Welche Freude würden die Ihrigen empfinden, wenn sie in der Heimat diese Freudenbotschaft erhielten!
    Sie konnte die angegebene Zeit kaum erwarten, und es hatte noch lange nicht drei Uhr geschlagen, als sie sich auf den Weg begab. Sie mußte einen Umweg einschlagen, um nicht zu früh zu kommen; aber als sie dann das große, prächtige Gebäude vor sich stehen sah, da kam sie sich so arm und klein und unwürdig vor, da hielt sie es für ganz unmöglich, Mitbewohnerin desselben werden zu können, da fragte sie sich, ob es denn nicht besser gewesen wäre, den braven Sternau erst um seinen wohlgemeinten Rat zu bitten.
    Doch jetzt war es zu spät. Sie ahnte nicht, daß droben von einem der großen Fenster aus die Augen des Herzogs gierig auf ihr ruhten. Sie trat ein.
    Der Portier wies sie schweigend auf eine breite Marmortreppe hinan, deren Seiten mit hohen Alabastervasen geschmückt waren, in denen herrliche exotische Gewächse leuchteten. Oben nahm sie derselbe Diener in Empfang, welcher heute bei ihr gewesen war, und führte sie in einen Salon, in welchem die Werke großer Meister an den Wänden hingen

Weitere Kostenlose Bücher