42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
pflegen kannst, solange du willst“, sagte er.
„Die Augen verbinden? Warum?“
„Es ist notwendig. Du darfst den Eingang zu uns nicht sehen.“
„Ah, wer seid ihr?“
„Wir sind Briganten, sonst aber ganz ehrliche Leute, Alter.“
„Briganten? Also Räuber? Ach, ich bin müde und ich bin arm; ich brauche mich vor euch nicht zu fürchten. Verbinde mir die Augen und führe mich, wohin du willst!“
Der Räuber nahm sein Tuch vom Hals und band es dem Alten um die Augen, dann ergriff er ihn bei der Hand, um ihn zu leiten. Es ging eine Strecke lang durch Büsche hin, dann, dem Klang der Schritte nach, in einen Gang hinein, bis sie stehenblieben und dem Alten das Tuch wieder abgenommen wurde. Er befand sich in dem Innern eines oben offenen Felsenkessels. Rundherum saßen gegen zwanzig wilde, bewaffnete Gestalten, welche entweder aßen, tranken, rauchten und spielten oder sich an ihren Gewehren zu schaffen machten. Man führte ihn vor einen starken, vollbärtigen Mann, welcher etwas abseits auf einer wollenen Decke lag und damit beschäftigt war, Geld in einen großen ledernen Beutel zu zählen.
„Wie heißt du?“ fragte dieser den Neuangekommenen ziemlich barsch.
„Mein Name ist Petro, Señor.“
Der Frager, es war der Anführer dieser Leute, richtete einen scharfen Blick auf ihn und meinte dann, wie sich besinnend:
„Mir ist, als hätte ich dich schon einmal gesehen!“
„Ich weiß nichts davon.“
„Man sagt, daß du aus der Gegend von Orense bist?“
„So ist es.“
„Warum bleibst du nicht daheim, wenn du krank bist?“
„Gerade meine Krankheit trieb mich fort, Señor. Ich suche auf den Bergen eine Wurzel, welche alle Krankheiten heilt.“
„Oho, die gibt es nicht!“
„Die gibt es, Herr; eine kluge Gitana (Zigeunerin) hat es mir gesagt.“
„Hast du keinen Sohn, der an deiner Stelle gehen könnte?“
„Ich habe weder Sohn noch Tochter; ich habe keinen einzigen Menschen auf der Erde.“
„So bleibe hier und ruhe dich aus. Du wirst es nicht mehr lange treiben, Mann. Brauchst du einen Pater zum Beichten, so sage es. Wir haben einen Pater Dominikaner unter uns. Hinaus aber darfst du ohne meine Erlaubnis nicht wieder. Und wenn du ein Verräter bist, so nimm dich wohl in acht! Ich scherze mit solchen Leuten nicht.“
Es wurde ihm ein abgelegener Platz angewiesen, wo er Speise und Trank erhielt; dann schien sich kein Mensch weiter um ihn zu bekümmern.
Nach einer geraumen Weile trat der Mann wieder ein, welcher draußen Wache hielt, und meldete dem Hauptmann, daß ihn ein Fremder zu sprechen begehre.
„Wer ist es?“ lautete die Frage.
„Er will es nicht sagen. Er hat eine schwarze Larve auf, damit man ihn nicht erkennen soll.“
„Ah, ich komme gleich!“
Der Hauptmann erhob sich, steckte noch eine Pistole zu sich und verließ das Felsenversteck. Draußen angekommen, erblickte er den Fremden. Jedenfalls kannte er ihn, denn er eilte auf ihn zu, streckte ihm die Hand entgegen und begrüßte ihn mit den Worten:
„Willkommen, Señor Gasparino, willkommen! Es sind ja Jahre vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben!“
„Pst!“ warnte die lange, hagere Gestalt des Verhüllten. „Wer wird hier Namen nennen! Sind wir sicher und unbelauscht?“
„Vollständig! Die Wache ist dort rechts auf ihrem Posten; sie kann uns nicht hören, und sonst ist kein Mensch zugegen.“
„Wißt Ihr das genau?“
„Sehr genau, Señor. Ich hoffe, Ihr bringt mir eine gute Arbeit.“
„Möglich, wenn Ihr nicht zu viel verlangt.“
„Laßt hören.“
„Was kostet es, zwei Menschen verschwinden zu lassen?“
„Das richtet sich ganz danach, wer sie sind.“
„Es ist ein Graf und ein Arzt.“
„Welcher Graf?“
„Der alte Emanuel de Rodriganda-Sevilla.“
„Euer Herr? Beim heiligen Sebastian, Ihr seid ein treuer Diener! Leider aber kann ich Euren Wunsch nicht erfüllen!“
„Nicht? Warum nicht?“
„Der Graf steht unter dem Schutz eines meiner Freunde. Ich darf ihm kein Haar krümmen.“
„Pah, ich bezahle gut!“
„Das ändert nichts. Wir Briganten sind ehrlich gegen unsere Freunde.“
„Nennt die Summe!“
„Hilft nichts, Señor! Ihr könntet mir zehntausend Dublonen geben, so würde ich Euch abweisen müssen. Betrachtet das als abgemacht!“
„Unangenehm, sehr.“
„Ich kann nicht anders. Wer ist der zweite?“
„Ein Arzt aus Deutschland.“
„Das wird besser gehen.“
„Und billiger?“
„Allerdings. Wo wohnt er?“
„Bei dem
Weitere Kostenlose Bücher