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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich gegen den Tod. Aber was sind die Leiden des Körpers gegen die Qualen des Geistes. Diese sind fürchterlich, mein Sohn. Hüte dich, sie jemals kennenzulernen.“
    „Du leidest an der Seele? Wende dich an unseren guten Dominikaner. Er wird deine Beichte hören und dir die heilige Absolution erteilen.“
    „Glaubst du wirklich, daß die Sünde vergeben werden kann? Durch einen Menschen? Durch einen Priester, der selbst sündhaft ist und sich unter Briganten und Mördern befindet? Das ist unmöglich, mein Sohn!“
    „Höre, Alter, der Pater Dominikaner ist nicht zu uns gekommenem teilzunehmen an dem, was wir tun, sondern damit auch die Briganten die Gnade Gottes finden sollen, wenn sie sich danach sehnen. Er ist ein sehr guter und frommer Mann. Er ist mein Lehrer, dem ich alles, was ich weiß, zu verdanken habe.“
    Der Bettler horchte auf.
    „Dein Lehrer? So hat er dich unterrichtet?“
    „Ja.“
    „Unterrichtet? Ein Räuber erhält Unterricht?“
    „Allerdings. Du mußt nämlich wissen, daß der Hauptmann mich nur zu solchen Unternehmungen verwendet, bei denen er eines Mannes bedarf, der es versteht, mit hochgestellten Señores zu verkehren. Darum habe ich alles lernen müssen, was ein Señor können und wissen muß.“
    „Wie heißt du?“
    „Mariano.“
    „Und weiter?“
    „Weiter nicht.“
    „Du mußt doch den Namen deiner Familie tragen, mein Sohn.“
    „Ich kenne sie nicht.“
    „Ah! Wie bist du unter die Briganten gekommen?“
    „Der Hauptmann hat mich in den Bergen gefunden. Ich bin ein Findling. Er hat mich mit zu sich genommen, aber all sein Forschen nach dem, der mich ausgesetzt hat, ist vergeblich gewesen.“
    „Wie alt bist du?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Wie lange bist du bei den Briganten?“
    „Es sind nun achtzehn Jahre gewesen.“
    „Achtzehn Jahre?“ fragte der Alte nachdenklich. „Oh, das ist dieselbe Zeit. Hast du keine Erinnerungen an deine Jugend mehr? Kannst du dich auf nichts, auf gar nichts mehr besinnen, mein lieber Sohn?“
    „Nein. Ich weiß nichts mehr aus jener Zeit, obgleich ich oft von ihr geträumt habe.“
    „Vielleicht hältst du für Traum, was Wirklichkeit gewesen ist. Was hat dir denn geträumt?“
    „Ich träumte viel von einem kleinen Püppchen. Es lag in einem schönen weißen Bettchen, an dessen Ecken eine goldene Krone zu sehen war, und war lebendig.“
    „Weißt du vielleicht noch, wie es hieß?“
    „Ja“, antwortete er. „Ich weiß noch ganz genau, daß ich es Rosita, Röschen, genannt habe. Auch hat mir immer geträumt von einem großen, hohen Mann, der mich Alfonzo nannte. Er nahm mich immer auf seinen Schoß und trug stets eine schöne goldene Uniform. Bei uns war immer eine schöne, stolze Frau, die mich sehr liebhatte und mich und die kleine Rosita immer herzte und küßte. Ich war klein, aber es gab viele Diener da, die mir gehorchten. Auch ich lag in einem Bett, welches Kronen trug. Einmal kam ein fremder Mann, als ich schlief. Ich erwachte, und der Mund war mir verbunden. Aber ich hatte nicht auf unserem Schloß geschlafen, sondern in einer Stadt, wohin ich mit dem Papa und der Mama gefahren war. Ich wollte schreien, denn ich fürchtete mich vor dem Mann, aber er band das Tuch fester, und ich schlief vor Angst wieder ein. Als ich erwachte, lag ich im Wald. Das ist es, was mir geträumt hat.“
    „Weiter nichts, weiter gar nichts?“
    „Nein.“
    „Weißt du nicht, wie der Mann hieß, der die Uniform trug?“
    „Die Diener nannten ihn Graf oder auch wohl Exzellenz.“
    „Ah! Nannten sie nicht zuweilen einen Namen?“
    „Nein.“
    „Höre, mein Sohn, das hat dir nicht geträumt, sondern das ist Wirklichkeit!“
    „Ich habe es auch zuweilen gedacht; aber wenn ich es dem Capitano sagte, so wurde er sehr zornig und gebot mir zu schweigen. Von der Krone durfte ich gar nicht sprechen, obgleich ich mich ganz genau auf sie besinnen konnte. Er wollte mich schlagen, wenn ich sie beschrieb, und so habe ich immer darüber geschwiegen.“
    „Kannst du dich noch jetzt auf sie besinnen?“
    „Sehr genau. Sie hatte goldene Zacken mit Perlen, und darunter standen zwei silberne Zeichen.“
    „Welche Zeichen waren dies?“
    „Ich wußte es erst nicht, aber als mich der Pater Dominikaner das Lesen lehrte, da lernte ich diese beiden Zeichen kennen. Es waren zwei Buchstaben, nämlich ein S und ein R.“
    „Mein Sohn, das war eine Grafenkrone. Vergiß diese Zeichen niemals!“
    „Ich werde dies alles nie vergessen, obgleich der gute

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