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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Grafen.“
    „Ah, so wird es nicht sehr billig sein. Wenn er bei einem Beschützten wohnt, wird man sich nicht leicht an ihm vergreifen dürfen.“
    „Dürfen, sagt Ihr? Wer will Euch, dem Hauptmann, etwas verbieten?“
    „Ich selbst. Ich kann die Gesetze nicht selbst übertreten, welche ich gegeben habe. Warum soll dieser Mann verschwinden?“
    „Er ist mir im Weg; das muß Euch genügen.“
    „Gut. Wieviel bietet Ihr?“
    „Wieviel verlangt Ihr?“
    „Soll er sterben oder nur verschwinden?“
    „Das erstere ist sicherer.“
    „So zahlt Ihr gerade tausend Dublonen.“
    „Tausend Dublonen? Seid Ihr des Teufels, Capitano?“
    Der Hauptmann erhob sich und meinte sehr einfach: „So könnt Ihr es lassen. Addio, Señor!“
    „Halt! Wieviel geht Ihr herab?“
    „Nichts, gar nichts. Ihr kennt mich!“
    „Nun gut! Also tausend Dublonen. Wann zahlbar?“
    „Die Hälfte jetzt und das andere danach.“
    „Und wenn es nicht gelingt?“
    „Es muß gelingen! Wie ist ihm beizukommen?“
    „Das läßt sich jetzt noch nicht sagen. Es mögen sechs bis acht Männer nötig sein. Diese laßt Ihr nach Rodriganda gehen, wo ich sie im Park treffen und ihnen meine Instruktionen erteilen werde. Hier habt Ihr Eure fünfhundert Dublonen, Capitano.“ Er zählte dem Hauptmann das Geld vor und erkundigte sich dann noch:
    „Habt Ihr den kleinen Burschen von damals noch?“
    „Ja. Er ist unter dieser Zeit ein großer Bursche geworden.“
    „Warum stirbt er nicht?“
    „Ihr bezahltet mich damals nur dafür, daß er verschwinden sollte. Aber sagt mir doch nun einmal, wer er denn eigentlich ist!“
    „Das erfahrt Ihr später. Wofür hält er sich?“
    „Für den Sohn eines verstorbenen Räubers.“
    „Fast bin ich begierig, ihn einmal zu sehen.“
    „Das laßt Euch vergehen, Señor! Ihr seid kein Mitglied. Ihr bezahlt mich für meine Arbeit und könnt gehen. Weiter als hierher kommt Ihr nicht.“
    „So muß ich mich zufriedengeben. Wann werden Eure Leute in Rodriganda sein?“
    „Morgen abend. Addio, Señor!“
    „Addio!“
    Sie gaben einander die Hände und trennten sich dann. Es war hier über das Leben eines Menschen verhandelt worden wie über einen ganz zufälligen und geringfügigen Gegenstand. Doch es fragt sich, wer von den beiden der Schlimmere, der Gefährlichere war, der Räuberhauptmann oder der schleichende Notar, der zu seinen Taten die Kunst der Verstellung und die Maske des Geheimnisses zu Hilfe nahm.
    Als der Hauptmann in seine Höhle zurückgekehrt war, verhandelte er, in eine abgelegene Ecke zurückgezogen, sehr eifrig mit dreien seiner Leute, welche den Auftrag erhielten, sich nach Rodriganda zu begeben, um die von dem Notar in Auftrag gegebene Tat auszuführen.
    Als der Abend hereinbrach, nahte sich einer der Briganten dem kranken Bettler und gebot ihm, ihm zu folgen. Er führte ihn in einen dunklen Gang, welcher sich tief in das Innere des Berges hineinzog. Zu beiden Seiten dieses Ganges waren kleine Zellen in den Felsen eingehauen, welche den Bewohnern der Höhle als Schlafraum dienten. Einige derselben waren mit schweren, eisenbeschlagenen Türen versehen, so daß es schien, als ob sie den Zweck hätten, als Gefängnisse zu dienen.
    Der Räuber war ein junger Mann, welcher vielleicht zweiundzwanzig Jahre zählen mochte. Er trug die malerische Kleidung der Provinz Katalonien, und bei dem Schein der kleinen Lampe, welche er trug, konnte man sehen, daß die edlen Züge seines Gesichtes nichts weniger als geeignet waren, in ihm einen Räuber vermuten zu lassen. Er war schlank, aber sehr kräftig gebaut, und seine Bewegungen zeigten eine Eleganz und Gewandtheit, welche jeden Beschauer für den jungen Mann einnehmen mußte.
    „Hier ist deine Kammer, mein guter Alter“, sagte er, auf eine der offenen Zellen zeigend. „Du findest da ein gutes Lager. Soll ich dir das Licht hierlassen?“
    „Ja“, antwortete der Bettler. „Wer weiß, ob ich diese Kammer jemals wieder verlasse!“
    „Warum nicht? Der Mensch soll sich nicht von Ahnungen beherrschen lassen. Du bist wohl sehr krank, aber Gott kann auch die böseste Krankheit heilen. Du kannst also hoffen!“
    „Ja, ich hoffe“, antwortete der Bettler unter einem qualvollen Hustenanfall, „aber nur auf den Tod. Er soll mir der Erlöser sein von allen meinen Leiden.“
    „Hast du große Schmerzen?“ fragte der Räuber, indem er sich mitleidig bückte, um dem Greis das Lager aufzuschütteln.
    „Das Leben darf nicht schmerzlos fliehen; der Körper wehrt

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