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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sterbenden zu hören?“
    „Nein; aber ich soll bei dieser Beichte zugegen sein, was niemand wissen darf, frommer Vater.“
    „Du? Warum?“
    „Weil es sich dabei um meine Herkunft handelt“, bemerkte Mariano mit leuchtenden Augen.
    Der Pater erhob sich von seinem Sitz und fragte mit der Miene des allergrößten Erstaunens:
    „Um deine Herkunft? Mein Gott, dann müssen wir allerdings sehr heimlich tun, denn was ich vermute, das bringt mich zu der Überzeugung, daß der Capitano nicht will, daß du erfährst, wer du eigentlich bist. In welcher Zelle befindet sich der Kranke?“
    „In der letzten. Ich habe sie ihm angewiesen, damit er durch seinen Husten die anderen nicht störe.“
    „So komm!“
    Sie schlichen sich im Dunkeln zu dem Bettler, dessen Husten sie bereits von weitem hörten. Der Priester bat Mariano, draußen zu warten, und trat zuerst allein zu dem Kranken. Nach einiger Zeit kam er wieder und sagte, daß sie sich eine Zelle nehmen müßten, welche verschlossen sei, weil hier in diesem offenen Gemach nichts zu sprechen sei, was nicht im dunklen Gang belauscht werden könne. Sie begaben sich also alle drei in eine der Gefängniszellen, deren Tür den Schall des Gespräches dämpfte, obgleich sie von innen nicht verschlossen werden konnte. Dort nahm der Bettler auf dem Lager Platz und begann, nachdem sich die beiden anderen in seine Nähe gesetzt hatten:
    „Mein frommer Vater, ich fühle, daß ich sterben muß, und möchte vorher so gern mein Herz von einer Schuld erleichtern, welche bereits über achtzehn Jahre lang mit mir durch das Leben gegangen ist.“
    „Dem Reuigen gibt Gott Gnade“, bemerkte der Pater. „Erzähle mir, was dein Herz bedrückt!“
    „Es sind zwei schwere Sünden, die ich begangen habe, ein Meineid und eine Kindesverwechslung.“
    „Das sind allerdings zwei sehr schwere Sünden! An wem hast du sie begangen?“
    „Die erste habe ich an dem Capitano begangen.“
    „An welchem Capitano? An dem unsrigen?“
    „Ja. Ihr müßt nämlich wissen, ehrwürdiger Vater, daß ich einst Mitglied der Briganten war.“
    „Du? Ah! Der hiesigen Briganten?“
    „Ja. Der Capitano war mein Hauptmann. Ich war ein armer Schiffer und schaffte zuweilen einige Ellen seidenes Zeug von Frankreich über die Grenze herein. Ich wurde einst ertappt. Man konfiszierte mir mein Boot und die Ware und steckte mich ins Gefängnis. Ich aber entfloh, und da ich nun nirgends sicher war, so ging ich unter die Briganten. Meine erste Tat, welche ich verrichten mußte, war die Umwechslung eines Kindes. Ein kleiner Schmuggel hatte mein Gewissen nicht beschwert, diese Tat aber machte mich bange; ich konnte des Nachts nicht mehr schlafen, und als dann der Capitano gar von mir verlangte, einen Menschen zu töten, da brach ich den Eid der Treue, den ich ihm geleistet hatte, und ging davon.“
    „Erzähle mir die Geschichte von der Verwechslung des Kindes“, sagte der Pater Dominikaner.
    „Es war, wie ich bereits bemerkte, meine erste Tat. Der Hauptmann ging, um ganz sicher zu sein, selbst mit. Er führte mich in einen Gasthof der Stadt Barcelona, wo wir einkehrten und über Nacht blieben. Um Mitternacht trat ein Mann zu uns herein, welcher ein Paket auf den Tisch legte. Als er das Tuch auseinanderschlug, enthielt es einen etwa vier Jahre alten Knaben. Das Tuch roch sehr nach Äther, und daraus schloß ich, daß man das Kind besinnungslos gemacht hatte. Ich mußte diesen Knaben mit einem andern verwechseln, welcher in einem zweiten Gastzimmer lag und schlief. Das Zimmer war nicht verschlossen, und ich bekam ein Ätherfläschchen mit, um erst die Wärterin und dann auch den Knaben bewußtlos zu machen. Nachdem ich die Kleidung der beiden Kinder verwechselt hatte, kehrte ich mit dem fremden Kind zurück, welches der Hauptmann dann mit hierher nach der Höhle nahm.“
    „Weißt du dies genau?“
    „Ja. Ich ging ja mit und mußte den Knaben tragen. Es ist kein anderer als dieser Jüngling hier.“
    „Auch das weißt du genau?“
    „Ich möchte es beschwören! Dieser Jüngling glaubt, geträumt zu haben, aber er irrt sich, denn es ist alles Wahrheit gewesen. Als ich die Kleider verwechselte, sah ich auf den Kleidern des fremden Knaben die Grafenkrone mit den beiden Buchstaben S und R. Ich kann mich noch ganz genau besinnen, daß es am 1. Oktober des Jahres 18‥ gewesen ist, nämlich in der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober.“
    „Die Wege des Herrn sind unerforschlich, aber er führt alles herrlich hinaus“, meinte

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