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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Cortejo. „Jetzt aber muß ich gehen.“
    Er verließ das Zimmer und auch das Schloß. Er wandte sich nach dem Park zu. Als er denjenigen Teil desselben, welcher an den Wald stieß, erreicht hatte, trat er hinter ein Gebüsch und stieß einen scharfen Pfiff aus.
    Nur einige Augenblicke später raschelte es in den Zweigen, und es trat ein Mann zu ihm, der in die Tracht der dortigen Gegend gekleidet war, am Arm aber eine schwarze Kapuze hängen hatte.
    „Ihr seid es, Señor“, meinte er. „Habt Ihr endlich einen Auftrag? Es ist ganz außerordentlich langweilig, so vergeblich im Wald zu liegen!“
    „Ja, ich habe den Auftrag“, meinte Cortejo. „Heute muß es geschehen.“
    „Ah – endlich! Aber wann?“
    „Sobald es paßt. Der Kerl ist jetzt nicht im Schloß.“
    „Ich weiß es, ich sah ihn gehen.“
    „Wohin?“
    „In den Wald. Ich schickte ihm einen meiner Leute nach, und dieser meldete mir, daß er mit dem alten Förster nach den Bergen sei.“
    „Also auf die Jagd! Könnte es nicht während derselben geschehen?“
    „Nein, denn wir werden ihn schwerlich finden.“
    „Dann also bei seiner Rückkehr in den Park.“
    „Gut. Und wenn er von der anderen Seite kommt?“
    „So wartet ihr bis später. Er scheint die Gewohnheit zu haben, während der Dämmerung zu promenieren; dabei bietet sich euch die beste Gelegenheit. Ich hoffe, daß es gelingen wird!“
    „Ohne Zweifel, Señor! Unsere Kugeln treffen sicher.“
    „Nein, Kugeln nicht. Es muß mit dem Messer geschehen. Der Schuß würde Alarm machen, den ich vermeiden will. Wenn Ihr ihm das Messer dann in die Hand drückt, wird er als Selbstmörder gelten.“
    „Ich muß Euch gehorchen; aber ein Schuß wäre sicherer. Dieser Mann scheint sehr stark zu sein, und es wird vielleicht einen Kampf geben.“
    „Ach so, ihr fürchtet euch!“ spottete Cortejo verächtlich.
    „Das fällt uns gar nicht ein! Euer Auftrag wird auf jeden Fall ausgeführt. Aber wie steht es mit dem Geld? Der Hauptmann hat mich beauftragt, es in Empfang zu nehmen.“
    „Kommt heute punkt Mitternacht wieder an dieselbe Stelle; da werde ich euch die Summe ehrlich ausbezahlen. Ihr habt Kapuzen mit? Wozu?“
    „Haltet Ihr uns für Anfänger?“ lachte der Brigant. „Man muß alle Fälle überlegen. Wie leicht könnte man uns sehen und dann wiedererkennen. Die Kapuze ist das beste und sicherste Mittel, unentdeckt zu bleiben, Señor!“
    „So macht eure Sache gut!“ ermahnte der Notar, indem er sich umdrehte, um nach dem Schloß zurückzugelangen.
    Der Brigant gehörte zu den Räubern, welche der Capitano dem Advokaten zur Ermordung Sternaus nach Rodriganda gesandt. Er hatte die Wahrheit gesagt. Sternau war mit einem der gräflichen Förster in den Wald gegangen, weniger um ein Wild zu erlegen, als vielmehr die frische, reine Berg- und Waldesluft zu genießen und die zu Rodriganda gehörenden Forste kennenzulernen.
    Diese Streiferei dauerte länger, als er erst beabsichtigt hatte, und es war bereits am späten Nachmittag, als er zurückkehrte.
    Er trug die Büchse in der Hand, welche er von dem Grafen entlehnt hatte; der eine ihrer Läufe war mit Schrot und der andere mit einer Kugel geladen, denn er hatte keine Gelegenheit gefunden oder benutzt, einen Schuß zu tun. Irgendeiner romantischen Stimmung zufolge kehrte er nicht auf einem der gebahnten Wege zurück, sondern er zog es vor, durch den dichten, unwegsamen Wald zu streifen. Er befand sich allein, denn der Förster hatte sich von ihm verabschiedet, um nach seiner im Wald gelegenen Wohnung zu gehen.
    So näherte er sich, in Gedanken versunken, mit langsamen Schritten dem Park. Da sah er plötzlich einen lichten, glänzenden Punkt vor sich. Ein Waldweg führte vorüber, und auf demselben ging Rosa, deren weißes Gewand hell durch die Baumgruppen schimmerte.
    Es war, als ob sie jemand suche oder erwarte, denn sie blieb zuweilen stehen und horchte in die Tiefe des Forstes hinein. Sie wußte, daß Sternau in den Wald gegangen war. Er kehrte nicht zurück, und eine ihr fremde und unerklärliche Unruhe trieb sie an, nach dem Park zu gehen.
    Er sah sie näher kommen. Sie war unendlich schön in dem einfachen weißen Gewand, welches sich eng und innig an die vollen Formen ihres Körpers schmiegte. Sie trug nicht den mindesten Schmuck; der einzige, der als solcher gelten konnte, bestand aus zwei dunkelgrünen Nelken, welche aus der Fülle ihres prächtigen Haares blickten.
    Da raschelte es vor ihr in den Büschen. Sie blickte auf und

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