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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gott, er geht!“ murmelte der Capitano. „Er will sich frei machen, aber es soll ihm doch nicht gelingen. Wen ich einmal halte, den halte ich auch fest. Verdammter Gedanke, gerade ihn nach Rodriganda zu schicken! Wer muß ihn aufmerksam gemacht haben? Ich muß es erfahren!“
    Er verließ mit langsamen Schritten das Birkenhäuschen und verschwand hinter dem Gesträuch des Parkes. Er hatte so vieles, und zwar ganz anderes mit Mariano besprechen wollen, und nun hatte er nichts von alledem gehört, was er hatte erfahren wollen.
    Jetzt konnte der Advokat ohne Gefahr, gehört zu werden, sein Versteck verlassen. Er kehrte vorsichtig nach dem Schloß zurück und begab sich wieder zu seiner frommen Freundin, die ihn mit Spannung erwartet hatte. Graf Alfonzo hatte sich bei ihr eingefunden, und beide erschraken, als sie hörten, daß dieser Husarenlieutenant in Wirklichkeit jener geraubte Knabe sei.
    „Mein Gott, was ist zu tun?“ fragte Clarissa. „Dieser Mensch ahnt also bereits, wer er ist?“
    „Er ahnt es, wie ich aus einer seiner Andeutungen entnehme“, antwortete der Advokat.
    „So stehen wir auf einem Vulkan, der in jedem Augenblick explodieren kann. Der Allbarmherzige und Allgütige wird die Seinen nicht verderben lassen, wie ich hoffe!“
    „Pah! Was hilft das fromme Wimmern. Hier muß gehandelt werden!“ meinte Alfonzo.
    „Aber wie?“ fragte die fromme Schwester.
    „Vor allen Dingen rasch. Eine rasche Tat ist eine doppelte Tat. Dieser Mensch muß augenblicklich unschädlich gemacht werden.“
    „Was verstehst du unter unschädlich, mein Sohn?“ fragte der Notar.
    „Tot!“
    „Hm!“
    „Ja, tot. Nur der Tote schweigt, und es steht für uns soviel auf dem Spiel, daß es eine Schwachheit wäre, einen Menschen zu schonen, der uns so sehr gefährlich ist. Übrigens ist er ja nichts als ein Bandit, und so muß seine Beseitigung geradezu als ein Verdienst bezeichnet werden, welches wir uns an der von ihm bedrohten Menschheit erwerben.“
    Schwester Clarissa nickte beifällig und sehr energisch mit dem Kopf; der Advokat aber sagte langsam und nachdenklich:
    „Es versteht sich allerdings ganz von selbst, daß er unschädlich gemacht werden muß; ob dies durch seinen Tod oder eine andere Art der Beseitigung geschehen wird, das soll meine Unterredung mit dem Capitano entscheiden. Ich werde um Mitternacht erfahren, was wir von ihm zu befürchten oder zu hoffen haben.“ Mit dieser Entscheidung mußten sich Mutter und Sohn beruhigen.
    Kurz vor dem Schlag der Mitternachtsstunde suchte der Notar den Park wieder auf. Es gab da ein sehr verborgenes Plätzchen, an welchem er sich mit dem Capitano zu treffen pflegte, falls dieser einmal mit ihm zu sprechen hatte. Er fand ihn bereits seiner harrend.
    „Ihr habt mir das Zeichen gegeben, zu Euch zu kommen“, sagte er. „Das ist mir lieb, denn Ihr erspart mir einen Weg nach den Bergen. Ich hätte Euch aufsuchen müssen.“
    „In welcher Angelegenheit?“ fragte der Hauptmann zurückhaltend.
    „Das fragt Ihr noch?“ sagte der Notar mit scheinbarer Verwunderung. „Ich habe Euch eine Aufgabe erteilt, welche bis jetzt noch nicht gelöst worden ist.“
    „Und warum wurde sie nicht gelöst, Señor?“
    „Weil Ihr mir keine Männer, sondern Feiglinge schicktet.“
    „Das ist ein Vorwurf, dessen Berechtigung ich nicht anerkenne“, antwortete der Hauptmann. „Wir wollen nicht Verstecken miteinander spielen, Señor, sondern diese Angelegenheit in aller Kürze erledigen.“
    „Das ist auch meine Meinung. Also sprecht!“
    „Wollt Ihr, daß der Auftrag, den Ihr mir gabt, noch ausgeführt werde?“
    „Das versteht sich! Ich verlange sogar, daß dies in aller Eile geschieht.“
    „Gut, so will ich Euch meine Bedingungen sagen.“
    „Bedingungen? Ich denke, über die Bedingungen haben wir uns bereits bei meinem letzten Besuch geeinigt.“
    „Die Verhältnisse haben sich seitdem geändert. Ich habe natürlich erfahren, was geschehen ist, und obgleich ich nicht dabeigewesen bin, kenne ich doch meine Leute genug, um alles richtig zu erraten. Der Arzt ist mit Messern angegriffen worden?“
    „Ja.“
    „Auf Euren ausdrücklichen Befehl?“
    Der Notar zögerte ein wenig und antwortete dann:
    „Nein. Dies hat Henricord so arrangiert.“
    „Lügt nicht!“ meinte der Hauptmann streng. „Meine Leute kennen den Unterschied zwischen einer Kugel und einer Messerklinge zu genau, um freiwillig die Dummheit zu begehen, einen starken Menschen nur mit der letzteren anzugreifen.

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