42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
entrichten.“
„Ihr seid ein Gauner!“
„Pah!“ lachte der Brigant. „Man will ja leben und muß auch andere leben lassen!“
„Gut, Ihr sollt sie haben!“
„Wann?“
„Nach getaner Arbeit.“
„Ich brauche sogleich Geld. Ihr zahlt die Hälfte!“
„Ich habe jetzt kein Geld. Tut Eure Pflicht, dann erhaltet Ihr sogleich das Ganze. Ist Euch dies nicht recht, so muß ich von dem Geschäft absehen.“
„Wenn es so steht, so muß ich Rücksicht nehmen“, meinte der Hauptmann zögernd. „Aber glaubt nicht, daß Ihr mich um einen einzigen Ducato betrügen könnt!“
„Wann wird es geschehen?“
„Bald; der Tag läßt sich nicht so leicht bestimmen. Habt Ihr noch etwas zu bemerken?“
„Nein.“
„So sind wir für heute fertig. Lebt wohl, Señor!“
„Gute Nacht!“
Der Bandit verschwand, und der Notar schritt langsam dem Schloß zu.
„Hahaha!“ lachte er leise und höhnisch vor sich hin; „du glaubst, mich betrügen zu können, alter Heuchler, aber es soll dir nicht gelingen. Ich werde dir zuvorkommen und die Sache in meine eigenen Hände nehmen!“
Am anderen Morgen trat die Kastellanin in das Zimmer Sternaus, um ihm den Kaffee zu bringen.
„Ich danke Euch, Señora“, sagte er. „Gebt mir ein Glas Milch; ich darf keinen Kaffee trinken.“
„Keinen Kaffee?“ fragte sie verwundert. „Fühlt Ihr Euch vielleicht krank, lieber Señor?“
„Nein. Es ist etwas anderes. Ich habe etwas zu tun, wobei die außerordentlichste Ruhe aller Nerven erforderlich ist, und Ihr wißt ja, daß der Kaffee das Blut erregt.“
„Das muß etwas sehr Wichtiges sein!“
„Allerdings, bittet Gott, daß es mir gelingen möge, Señora! Ich werde die Augen unseres guten Grafen Emanuel operieren.“
Da ließ Elvira das Kaffeebrett zur Erde fallen und schlug erschrocken die Hände zusammen.
„Die Augen operieren!“ rief sie. „O Gott, ist es wahr?“
„Ja. Aber was hat dies mit dem Kaffeebrett zu tun?“
„Ich kann doch das Kaffeebrett nicht mit den Händen über dem Kopf zusammenschlagen; das sagt Alimpo auch; darum habe ich es fallen lassen.“
„Ihr konntet es ja vorher auf den Tisch stellen. Übrigens ersuche ich Euch, den Kastellan dafür sorgen zu lassen, daß unbedingte Ruhe und Stille im Schloß herrschen. Die Fenster im Krankenzimmer werden nach der Operation sofort verhängt. Wendet Euch in dieser Angelegenheit an die Contezza, welche das Nötige veranstalten wird. Und jetzt bitte ich um meine Milch!“
„Ja, ja, die sollt Ihr sofort erhalten, Señor. Oh, was wird mein Alimpo sagen, wenn er von der Operation hört! Ich eile, ich laufe, ich fliege bereits! Gott gebe Gelingen und Segen!“
Sie ließ das zerbrochene Geschirr einstweilen liegen und verließ das Zimmer mit einer Bewegung, welche sie ‚Fliegen‘ nannte, welche aber mehr einem ‚Kugeln‘ glich.
Als der Arzt nach einiger Zeit den Salon betrat, wurde er von den Anwesenden mit lauten, stürmischen Fragen empfangen.
„Ist es wahr, Señor, daß der gnädige Graf heute operiert wird?“ fragte Clarissa.
„Ja.“
„Also wirklich?“ rief Señor Gasparino Cortejo.
„Wirklich!“ antwortete Sternau.
Da trat der junge Graf an ihn heran und sagte mit finsterer Miene und strengem Ton:
„Señor, ich fordere Euch auf, die Sache noch zu überlegen. Seid Ihr überzeugt, daß Euch der Schnitt gelingen wird?“
„Nein, aber ich hoffe es.“
„Hoffe es! Also auf Grund einer vagen Hoffnung tretet Ihr an ein so hochwichtiges Unternehmen. Könnt Ihr dies vor Gott und Eurem Gewissen verantworten?“
„Ja“, lautete die ernste und bestimmte Antwort.
„So fordere ich als Sohn des Kranken, daß Ihr Euch wenigstens durch einige hervorragende Operateure assistieren laßt!“
Sternau blickte ihm mit einem Lächeln, welches die Gewalt eines Lanzenstoßes hatte, in das Gesicht und antwortete:
„Ich habe nicht die mindeste Lust, Szenen zu wiederholen, welche glücklicherweise vorübergegangen sind. Übrigens ist mir der Wunsch Seiner Erlaucht so vollständig maßgebend, daß ich die Ansicht eines zweiten nicht berücksichtigen kann.“
„Ah, soll das eine Beleidigung sein?“ zischte der Graf.
„Eine Beleidigung kann nicht in meiner Absicht liegen“, antwortete Sternau sehr gleichmütig.
„Auch ich bestehe darauf, daß noch weitere chirurgische Kräfte herbeigezogen werden!“ rief der Notar.
„Ich ebenso!“ stimmte die fromme Schwester bei.
„Meine Entscheidung ist gefallen, und ich habe keine Veranlassung, das
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