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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lernen?“
    „Ja; aber pst, leise! Die Freude ist ebenso gefährlich wie jeder andere Affekt.“
    Da konnte sie sich nicht halten. Trotz der Gegenwart der Freunde und der Kastellanin legte sie ihre Arme um ihn und streckte ihm ihre vollen, blühenden Lippen zum leisen, leisen Kuß entgegen.
    Die gute Elvira hätte, als sie dieses sah, beinahe vor Überraschung laut aufgeschrien; sie bezwang sich jedoch glücklicherweise noch und tröstete sich mit dem Gedanken:
    „Das soll mein Alimpo erfahren. O heilige Lauretta, wie wird er sich wundern und freuen!“
    Auch Miß Amy war erstaunt, konnte aber nicht umhin, der Freundin recht zu geben. Sie zog dieselbe an sich und küßte sie wortlos auf dieselben Lippen, welche einige Augenblicke zuvor der Mund des Arztes berührt hatte. Dieser letztere verließ das Zimmer auf einige Augenblicke, um den Lieutenant abzulösen.
    „Ah, fertig, Señor?“ fragte dieser, als er ihn erblickte.
    „Ja.“
    „Und wie ist – ach, ich brauche nicht zu fragen; Eure Augen sagen deutlich, daß Ihr nicht unglücklich gewesen seid.“
    „Nein, bei Gott nicht. Die Operation ist noch besser gelungen, als ich erwartete; dies muß jedoch dem Kranken noch verschwiegen bleiben. Was ist dies für ein Gewehr?“
    „Es gehört Don Alfonzo, den ich arretiert habe“, antwortete Mariano finster.
    „Arretiert? Weshalb? Wieso?“
    Der Lieutenant erzählte das Vorkommnis, und der Arzt hörte mit wachsendem Zorn zu. Als der erstere geendet hatte, sagte der letztere:
    „Welch ein Mensch! Welch eine Schändlichkeit! Ohne Absicht kann dies gar nicht geschehen sein! Und das will der Sohn seines Vaters sein!“
    Mariano hätte jetzt eine Bemerkung machen können, aber er hielt an sich und schwieg. Der Arzt fuhr fort:
    „Was beabsichtigen Sie nun, mit ihm zu tun?“
    „Das zu bestimmen überlasse ich Ihnen, Señor. Sie müssen am besten wissen, ob er schädlich ist.“
    „Hätte er vorhin geschossen, so war es sehr leicht möglich, daß der Graf aus der Betäubung erwachte und die Operation gefährdet wurde. Jetzt aber – hm, führen Sie mich zu ihm. Ich werde mit ihm sprechen.“
    Sie gingen nach dem Gewölbe, welches der Lieutenant öffnete. Graf Alfonzo hatte ihr Kommen gehört und stand hinter der Tür. Er wollte sich mit beiden Fäusten auf Mariano stürzen, aber in demselben Augenblick faßte ihn der Arzt bei den Armen und hielt ihn so fest, daß er sich kaum regen konnte.
    „Räuber! Banditen!“ knirschte er.
    „Schimpft soviel Ihr wollt, Señor!“ sagte Sternau. „Was so ein Mensch sagt, wie Ihr seid, berührt uns keinen Pfifferling. Wir werden Euch wieder freilassen; vorher aber habe ich noch ein Wort mit Euch zu reden.“
    „Packt Euch fort, Ihr Schurken! Ich lasse Euch aus der Tür werfen.“
    „Nur ruhig, mein Lieber! Ich lasse Euch nicht eher los, als bis Ihr mich ruhig angehört habt.“
    „So redet!“ herrschte er den Arzt an.
    „Ich habe Euch zu sagen, daß Euer Verhalten mir außerordentlich verdächtig vorkommt. Ich kann zwar die Ursache nicht ergründen, aber wenn Ihr Euch Eurem Vater naht, ehe ich es erlaube, oder wenn Ihr das geringste unternehmt, was ihm schaden könnte, so mache ich Euer Verhalten in den Blättern öffentlich bekannt und übergebe Euch den Gerichten!“
    „Tut es doch, tut es!“ rief er. „Ich werde Euch beide dann dafür auspeitschen lassen.“
    Das war dem Lieutenant denn doch zuviel. Er hatte sein Geheimnis auf das strengste bewahren wollen, jetzt aber konnte er sich doch nicht ganz beherrschen. Er legte Alfonzo die Faust auf die Achsel und sagte.
    „Mensch, wage noch eine solche Drohung, so schlage ich dich zu Boden! Meinst du etwa, die Gerichte nicht fürchten zu müssen, du und deine sauberen Eltern? Der Staatsankläger mag entscheiden, ob du wirklich ein geborener Graf de Rodriganda-Sevilla bist! Packe dich, Kanaille!“
    Er gab Alfonzo einen so fürchterlichen Hieb, daß der Getroffene aus den Händen des Arztes, trotzdem ihn diese so fest gepackt hielten, an die Mauer flog. Er taumelte zurück, raffte sich jedoch schnell auf und sprang die Treppe empor.
    „Mein Gott, was war das?“ fragte der Arzt. „Der Mensch ist nicht der Sohn des Grafen Emanuel?“
    Jetzt erst merkte der junge Mann den Fehler, welchen er begangen hatte. Er fuhr sich mit der Hand nach der glühenden Stirn und sagte:
    „Señor, könnt Ihr schweigen?“
    „Ja“, sagte Sternau einfach und herzlich.
    „Ich habe Euch lieb; Ihr seid ein ganzer Mann. Wollt Ihr mein Freund

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