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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sein?“
    „Gern, sehr gern, denn auch ich habe Euch lieb, Señor. Hier ist meine Hand!“
    „So erfüllt mir eine Bitte!“ bat Mariano, in die Rechte des Arztes einschlagend.
    „Welche?“
    „Schweigt jetzt noch von dem, was Ihr gehört habt!“
    „Sagt mir vorher, ob Ihr die Wahrheit spracht!“
    „Ich glaube, daß es die Wahrheit ist. Ich muß noch Zeit haben, diese schwierige Angelegenheit zu untersuchen. Bis dahin aber ist unbedingte Verschwiegenheit notwendig.“
    „Gut, ich werde schweigen, doch unter der Bedingung, daß ich als Freund dann später auf Euer Vertrauen rechnen kann!“
    „Das könnt Ihr, ja bei Gott, das könnt Ihr, Señor.“
    „So mag diese Angelegenheit einstweilen ruhen, obgleich ich mich in Gedanken sehr mit ihr beschäftigen werde. Jetzt aber muß ich schleunigst zum Grafen, denn ich muß gewärtig sein, daß dieser Alfonzo zu ihm gegangen ist, um meine Erfolge zunichte zu machen.“
    Er fand glücklicherweise, daß Alfonzo diesen Weg nicht eingeschlagen hatte; er war vielmehr sogleich zu der Schwester Clarissa geeilt.
    „Mutter“, rief er beim Eintreten, „schicke sofort zum Vater! Es ist etwas ganz und gar Unerhörtes geschehen!“
    Die fromme Schwester fuhr erschrocken von ihrem Sitz auf.
    „O du gütiger Himmel, welche Unvorsichtigkeit!“ zürnte sie. „Du schreist ja, als ob dich niemand hören könnte. Was ist geschehen?“
    „Eine Ruchlosigkeit, wie es keine zweite gibt, eine Nichtswürdigkeit sondergleichen. Dein Mädchen war nicht im Vorzimmer; ich werde den Vater gleich selbst holen!“
    Er eilte fort und kehrte in kurzer Zeit mit dem Notar zurück, um zu erzählen, was ihm widerfahren war. Die beiden Alten erschraken auf das äußerste.
    „Was tue ich? Sagt es mir!“ rief Alfonzo, noch immer ganz erregt.
    Da erhob sich der Notar und sprach in strengstem Ton:
    „Schweigen, ja schweigen sollst du! Du hast einen fürchterlichen Fehler begangen. Wer hat dir befohlen, unter dem Fenster des Grafen zu schießen, he? Du bringst dich, uns und unseren ganzen Plan in Gefahr. Hier gibt es keine andere Hilfe, ich muß sofort nach Barcelona zum Kapitän Landola. Ich habe soeben eine Depesche erhalten, daß er nicht kommen kann, da er das Ausladen seiner Güter überwachen muß. Der Steuermann, dessen Arbeit dies eigentlich ist, ist krank geworden.“
    „Wann reisest du?“ fragte die fromme Schwester.
    „Bereits in einer halben Stunde. Aber ich verlange unbedingten Gehorsam. Höre ich von einer weiteren Unvorsichtigkeit, so ziehe ich meine Hand von dir ab. Verstanden, Bursche! Jetzt gehe!“
    Das hatte Alfonzo nicht erwartet. So hatte sein Vater noch nie mit ihm gesprochen, und er verließ das Gemach, ohne ein Wort der Entgegnung zu wagen.
    Es war drei Tage später, als in der frühen Morgenstunde Sternau mit dem Lieutenant im Park spazierengegangen war. Er hatte während dieser Tage den Grafen keinen Augenblick verlassen und jetzt zum ersten Mal einen Mund voll Gartenluft haben wollen.
    Sie trafen vor einem Blumenbeet die Kastellanin, welche Blüten in die Schürze pflückte.
    „Guten Morgen, Señores!“ rief sie ihnen bereits von weitem entgegen. „Seht diese prachtvollen Rosen! Ja, am heutigen Tag muß man die schönsten pflücken; das sagt mein Alimpo auch.“
    „Was ist's mit dem heutigen Tag?“ fragte Sternau.
    „Wie? Das wißt Ihr nicht?“ fragte sie ganz erstaunt.
    „Nein.“
    „Daß der Geburtstag unserer lieben, gnädigen Contezza ist!“
    „Ah! Wirklich? Oh, da muß man ja gratulieren!“
    „Natürlich! Sie ist bereits längst munter. Auch der gnädige Herr ist wach und hat mich eben in den Garten geschickt. Er will ihr in seinem Zimmer bescheren.“
    „Davon hat er mir ja nicht das mindeste gesagt!“ meinte der Arzt.
    „Vielleicht hat er auch Euch mit überraschen wollen. Die Geschenke sind gestern angekommen. Geht hinauf, Señor; Ihr könnt mir Blumen legen helfen.“
    Fünf Minuten später befand sich Sternau bei dem Grafen und war beschäftigt, den letzteren und die Kastellanin beim Ordnen und Dekorieren der reichen Geschenke zu unterstützen. Dann ging Frau Elvira, um Rosa zu holen. Sternau wollte sich zurückziehen, aber der Graf gab es nicht zu.
    „Bleiben Sie, Doktor“, bat er. „Ihre Gegenwart macht mir die Freude zu einer doppelten.“
    Die Contezza erschien. Sie trug ein einfaches weißes Halbnegligé, welches die schönen Formen ihrer königlichen Gestalt auf das entzückendste hervorhob. Sie reichte beiden Männern das Händchen,

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