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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Fest, und wer eine Bitte hat, der soll sie dir sagen, nicht Señor Gasparino oder Alfonzo, sondern dir, und wenn es möglich ist, so werde ich sie erfüllen. Alle meine Beamten sollen heute ein Monatsgehalt gratis erhalten. Oh, ich werde – ich werde –“
    Er sann nach und wandte sich dann an Sternau: „Señor, haben Sie Verwandte?“
    „Eine Mutter und eine Schwester“, lautete die Antwort.
    „In Deutschland?“
    „Ja, in Mainz.“
    „Glauben Sie, daß ich lesen kann?“
    „Sie können es, aber Sie dürfen es noch nicht.“
    „Auch nicht ein paar Worte?“
    „Das kann ich gestatten.“
    „Oder schreiben? Nur eine Zeile oder zwei, mehr nicht!“
    „Ist es sehr notwendig?“
    „Ja.“
    „So schreiben Sie, aber nicht gegen das Fenster gewendet!“
    Der Graf trat an seinen Schreibtisch, zog ein Blankett hervor und füllte es aus. Dann legte er es zusammen und reichte es seiner Tochter.
    „Hier, Rosa, mein Kind“, sagte er, „bitte ihn, daß er diese Worte als eine Erinnerung an den heutigen Tag annehme, nicht von mir, sondern von dir, und nicht für sich, sondern für seine Mutter und Schwester. Was er getan hat, muß unvergolten bleiben, aber seiner Mutter und Schwester dürfen wir sagen, wie lieb wir ihn haben und wie unvergeßlich er uns sein wird!“
    Sie nahm den Zettel und reichte ihn Sternau entgegen. Er trat zwei Schritte zurück und streckte die Hand abwehrend aus.
    „Ich wußte es“, sagte sie errötend, „aber verstehen Sie mich recht; nicht Ihnen soll eine Gabe werden, sondern Sie sollen uns eine Freundlichkeit erweisen, und Sie haben nicht das Recht, etwas zurückzuweisen, was nicht Ihnen, sondern anderen gehören soll.“
    Und als er in seiner Haltung verharrte, trat sie ganz nahe an ihn heran, legte ihm das Papier in die Hand und hauchte fast unhörbar:
    „Carlos, bitte, nimm es!“
    Da konnte er nicht widerstehen. Er gab den beiden eine Hand des Dankes, aber er ging. Als er auf sein Zimmer kam, sah er, daß er eine Anweisung auf zweimal je hunderttausend Silberpiaster in den Händen hielt, ein wahrhaft fürstliches Honorar, welches ihn sofort zum selbständigen Mann machte.
    Als er den Grafen so schnell verlassen hatte, sagte Rosa zu diesem:
    „Weißt du, Vater, daß du ihn beleidigt hast?“
    „Ich glaube nicht, mein Kind. Er soll nicht das Geld, sondern die Gesinnung beachten. Mein Herz ist zum Zerspringen, und ich konnte nicht anders. Es soll kein Honorar, keine Bezahlung sein; es ist ja alles sein, was mir gehört; sage ihm dies noch extra, Rosa! Jetzt aber eile und sorge dafür, daß man sich mit mir freue!“
    Was Señor Gasparino Cortejo betraf, so hatte der Graf sich in Beziehung auf diesen einer kleinen Vergeßlichkeit schuldig gemacht. Der Notar hätte heute gar keine Bitte entgegennehmen können, denn er war ja vor bereits drei Tagen nach Barcelona gereist.
    Im Hafen dieser Stadt lag zwischen anderen Schiffen ein Dreimaster, welcher am Bug und Stern den Namen ‚La Péndola‘ führte. Dieses Wort heißt zu deutsch ‚die Feder‘. Dies war für den Nichtkenner vielleicht ein sonderbarer Name für ein großes, schweres Kauffahrteischiff von drei Masten und mehreren Decks; aber ein Seemann hätte sich über diesen Namen nicht gewundert. Man sah es zwar, daß die ‚Feder‘ nicht auf einer amerikanischen Werft gebaut sei, aber sie war doch nach amerikanischem Muster modelliert: Ihr Bug stieg kühn am Vorderdeck empor, und der Kiel lag lang und scharf in dem Wasser; dazu war die Takelung eine beinahe klippernartige, so daß sich vermuten ließ, die ‚Feder‘ sei ein außerordentlich schneller Segler und fliege ‚federleicht‘ über die Wogen dahin. Freilich sind solche Schiffe auch leicht zum Kentern geneigt; sie ‚brechen oft das Rückgrat‘, wie der Seemann sich ausdrückt, und es gehört ein mehr als gewöhnlicher Seemann dazu, ein derartiges Fahrzeug zu kommandieren.
    Nun, ein nicht ganz gewöhnlicher Seemann war Kapitän Henrico Landola; das wußten alle, die ihn kannten. Und diese sagten einstimmig, daß er trotz seines spanischen Namens ein Amerikaner sei, ein echter Yankee, der sich vor dem Teufel nicht fürchte und, wenn es sein müsse, vorn zur Hölle hinein und hinten wieder hinaussegeln werde, ohne eine Spiere oder Stange zu beschädigen. Er kannte alle Meere und alle Häfen und galt für einen Mann, dem jede Fracht recht sei, wenn er nur Geld verdiene. Ja, man munkelte davon, daß er eine Ladung Neger nicht verschmähe, obgleich die Sklaverei auf dem

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