Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
geheylt durch folgenden Trankk:
    Man zerstößt eyn Tassenkopff Capsium, welches heyßt die strauchigte Beißbeeren und thut darauff eyn halben Tassenkopff Speichel von eyn Menschen, welchem man zu Totte gekietzelt hat, läßt stehen ein Wochen und thut darauff eyn Löffel scharpfen Essieg, gießt ab und hebt in eyn Flaschen auff. Zwei Tropffen von dieser feynen Artzeneyen nimbt den Wahnsinn wieder hinfort binnen dreyen Tagen.
    Notabene: Kann nur im Landte Asien gemacht werden und ißt erprobt von viellen Menschen, so man Neger, Malaya's oder Wildte nennet.“
    „Könnt Ihr diese Schrift lesen?“ fragte der Advokat.
    „Ja“, antwortete der Kapitän. „Ich verstehe Deutsch.“
    „So verdolmetscht mir doch einmal das Zeug!“
    Der Kapitän tat es. Als er fertig war, fragte der Notar: „Und dieses Gift habt Ihr?“
    „Ja.“
    „Wirklich?“
    „Versteht sich!“
    „Hm! Könnte man wohl einige Tropfen bekommen?“
    „Für wen?“
    „Das geht Euch nichts an.“
    „Für den Jungen etwa, den ich mir holen sollte?“
    „Nein.“
    „So, das ist etwas anderes! Aber das Zeug ist verteufelt teuer.“
    „Wieviel?“
    „Der Tropfen fünf Duros.“
    „Alle Wetter! Aber wirkt es zuverlässig?“
    „Auf mein Wort!“
    „Kann ich zehn Tropfen haben?“
    „Ja. Macht fünfzig Duros!“
    „Gebt her, und schreibt Euch die fünfzig über!“
    Der Kapitän griff in dasselbe Schränkchen, nahm eine Arzneiflasche und ein kleines leeres Fläschchen heraus, in welches er aus dem ersteren genau zehn Tropfen abzählte.
    „Hier, Señor! Das ist gerade genug, um zwei tot oder fünf wahnsinnig zu machen. Ich hoffe, Ihr werdet mit mir zufrieden sein!“
    Diese Unterredung geschah am zweiten Tag nach der Abreise des Advokaten von Rodriganda. Am dritten, also an dem Tag des Festes, kehrte er dorthin zurück. Als er durch das Dorf fuhr, war er nicht wenig überrascht, den ganzen Ort im Festkleid zu erblicken. Die Häuser waren mit Kränzen geschmückt, und die Bewohner trugen ihre Festtagskleider. Erst auf dem Schloß erfuhr er, was geschehen sei, und ging sofort zu seiner Verbündeten, um sich alles ausführlich erzählen zu lassen.
    Als die Dämmerung hereinzubrechen begann, befand sich der Arzt mit Rosa abermals bei dem Grafen. Dieser fragte, ob er nun seinen Sohn sehen könne.
    „Ich werde nach ihm schicken“, meinte Sternau, indem er nach dem Vorzimmer ging.
    „Der Graf Alfonzo und der Lieutenant de Lautreville sollen kommen und dürfen nur zugleich eintreten!“ befahl er dem Diener; dann kehrte er wieder zurück.
    Mariano hatte keine Ahnung von der Intrige des Arztes. Er trug heute nicht die Uniform, sondern ein kleidsames Zivil, und stieß unten im Vorzimmer mit Alfonzo zusammen, der ihn gar nicht beachtete. Der Graf hatte bereits die Binde wieder abgelegt und erwartete mit Ungeduld den Sohn.
    Als die beiden eintraten, fiel sein Auge zunächst auf Alfonzo, glitt aber schnell von diesem ab und auf den Lieutenant hinüber. Er erhob sich, schritt auf den letzteren zu, öffnete die Arme und rief:
    „Mein Sohn, ich bin sehend! O komm und freue dich!“
    Bei dieser Szene stieg dem Lieutenant das Blut siedend heiß empor, aber er mußte sich beherrschen. Wie gern hätte er sich an die Brust dieses Mannes geworfen! Es war ihm unmöglich, eine Antwort zu geben, aber er hätte es auch nicht nötig, zu sprechen, denn Alfonzo antwortete an seiner Stelle.
    „Das ist ein Irrtum, Vater, Graf Alfonzo bin ich!“
    Der sehend Gewordene heftete seinen Blick jetzt schärfer auf den Sprecher und sagte:
    „Wer treibt hier Scherz mit mir? Ihr seid nicht mein Sohn!“
    „Und doch bin ich es“, antwortete Alfonzo. „Erkennst du mich nicht an der Stimme?“
    Don Emanuel starrte den Sprecher an und sagte dann:
    „Diese Stimme, o diese Stimme! Ja, ich kenne sie, aber als ich sie zuerst hörte, dachte ich nicht, daß sie meinem Sohn gehören könne. Aber wer ist der andere?“
    „Es ist Lieutenant de Lautreville“, antwortete Sternau.
    „Der Lieutenant! Oh, Señor de Lautreville, sagt, ob dies wahr ist!“
    Mariano wollte das Herz brechen, aber er antwortete:
    „Erlaucht, es ist so!“
    Da stieß der Graf einen Laut aus, von dem man nicht sagen konnte, ob es ein Seufzer oder ein Schluchzen sei. Er berührte keinen von den beiden, sondern er drehte sich langsam um, sank auf seinen Sitz und sagte:
    „Rosa, sage den Herren, daß sie gehen sollen. Nur Señor Sternau bleibt mit hier!“
    Alfonzo und Mariano gingen. Sie erfuhren nicht, was in

Weitere Kostenlose Bücher