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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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des Grafen Zimmer noch gesprochen wurde. Als der erstere das Zimmer der frommen Schwester erreichte, fand er den Advokaten dort. Sie beide hatten seine Rückkehr mit allergrößter Spannung erwartet.
    „Nun?“ fragte Cortejo.
    „Er mag nichts von mir wissen!“ lautete die Antwort.
    „Ah, ich ahnte es! Weiter!“
    „Er wollte den Lieutenant umarmen.“
    „Dieser war zugegen?“
    „Er trat mit mir ein.“
    „Alle Teufel, das sieht ja aus wie eine Berechnung! Was sagte der Graf zu ihm?“
    „Er hielt ihn für seinen Sohn.“
    „Und als du den Irrtum natürlich aufklärtest?“
    „Da gebot er uns beiden, uns zu entfernen. Jetzt sitzt dieser Sternau wieder bei ihm.“
    „Sollte dieser etwas ahnen oder gar wissen? Es ist ein Glück, daß es heute anders wird. Morgen wäre es vielleicht zu spät dazu!“
    „Heute? Was soll geschehen, mein Lieber?“ fragte die fromme Schwester.
    „Das werdet ihr später erfahren. Je weniger heute davon wissen, desto besser ist es für uns. Geht beizeiten schlafen, und kümmert euch um nichts.“
    Auch er begab sich nach seinem Zimmer; bald jedoch verließ er dasselbe, und es schien, als ob er sich noch im Park ergehen wolle, denn er verschwand mit den langsamen, ziellosen Schritten eines Spaziergängers nach dieser Richtung hin.
    Da Sternau und Rosa bei dem Grafen waren, so waren Amy und der Lieutenant aufeinander angewiesen. Die erstere war auch auf eine Viertelstunde zu Don Emanuel gerufen worden, hatte sich aber bald wieder zurückgezogen, da das Gemüt des Grafen sehr gedrückt zu sein schien.
    Um der Langeweile zu entgehen, hatte Amy dem Lieutenant vorgeschlagen, einen Gang in das Dorf zu machen. Sie hatten die Venta (Wirtshaus) besucht, wo bei dem Klang der Pfeifen und Zithern getanzt wurde, und kehrten nun nach dem Schloß zurück. Unweit desselben blieb die Engländerin stehen und fragte in leisem Ton:
    „Señor, Sie leiden an einem Geheimnis?“
    „Ja“, antwortete er nach einer kleinen Pause.
    „Darf man es nicht erfahren?“
    „Jetzt nicht.“
    „Sie haben kein Vertrauen zu mir Señor?“
    „O doch, welch unendliches Vertrauen!“ antwortete er. „Aber es gibt Dinge, welche man kaum sich selbst sagen darf.“
    „Aber später, darf ich es da erfahren?“
    „Miß Amy, Sie werden es sicher erfahren, ganz sicher, wann –“
    Er stockte, und sie fragte daher: „Wann –? Was wollten Sie sagen. Señor?“
    „Wann ich – wann ich Sie wiederfinden darf!“
    Da nahm sie seine Hand, blickte ihm treu und offen ins Gesicht und sagte: „Sie dürfen! Ich werde auf Sie warten.“
    „Wie lange? O wie lange? Sagen Sie es mir, Miß Amy!“
    Sie legte ihr Köpfchen an seine Brust und antwortete:
    „So lange, als ich lebe, denn wenn du nicht kommst, so sterbe ich.“
    Er antwortete nicht; er sagte kein Wort, aber er hielt sie umschlungen, lange, lange Zeit, bis sie ihn selbst bat, den Weg fortzusetzen. Er brachte sie noch bis vor die Tür zu ihren Gemächern und begab sich dann direkt nach seiner Wohnung. Er fühlte sich so glücklich, so selig. Er wollte niemand treffen, sondern in der Einsamkeit seines Zimmers mit seinen Gefühlen allein sein.
    Als vorhin der Notar den Park erreichte, verdoppelte er seine Schritte. Er erreichte die Grenze lange vor zehn Uhr und mußte also bis dahin warten. Landola erschien sehr pünktlich. Er hatte einen zweispännigen Wagen und sechs kräftige Matrosen bei sich. Der Wagen wurde unter Bäumen, die ihn verbargen, in die Obhut eines der Leute gestellt, und die anderen marschierten auf Rodriganda zu.
    „Wie wird es gehen?“ fragte der Kapitän.
    „Sehr leicht“, antwortete der Notar. „Es ist Tanz im Dorf, wo sich fast die ganze Dienerschaft befindet. Er ist auch hier; ich habe ihn beobachtet. Eine der hinteren Treppen ist frei. Auf ihr führe ich euch nach dem Korridor und in seine Zimmer, welche unverschlossen sind. Ihr postiert euch in die Schlafstube, und wenn er kommt, so nehmt ihr ihn fest.“
    „Das klingt leicht. Aber wie kommen wir wieder fort?“
    „Auf demselben Weg. Ihr wartet, bis ich komme, denn ich hole euch wieder ab, wenn alles sicher ist.“
    Es geschah, wie der Advokat gesagt hatte. Sie erreichten vollständig unbemerkt den hinteren Teil des Schlosses und gelangten von der Treppe, auf welcher sie die Fußbekleidungen auszogen, auf den erleuchteten Korridor, welcher aber verlassen lag, und in die Wohnung des Lieutenants, in welcher kein Licht brannte. Dort versteckten sie sich.
    Als Mariano ahnungslos aus

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