42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
Papier abgeschafft ist und man sich vor den ‚Kreuzern‘ sehr in acht zu nehmen hat.
Dieser Mann also lag mit der ‚Péndola‘ im Hafen von Barcelona vor Anker und hatte sich heute mit dem Notar Gasparino Cortejo in die Kajüte eingeschlossen, um ungestört über Geschäfte sprechen zu können.
Cortejo saß vor einem großen Stoß von Papieren, welche er durchgerechnet hatte. Er legte die Feder weg und sagte:
„Ich bin mit Euch zufrieden, Landola. Mein Part beträgt dreißigtausend Duros, und soviel gedachte ich für dieses Mal nicht zu gewinnen.“
In dem Gesicht des Kapitäns zuckte keine Miene. Er fragte kalt: „Und wie steht es? Soll ich zahlen, oder laßt Ihr das Geld im Geschäft, weil ich es brauche?“
„Behaltet es.“
„Gut, abgemacht. Habt Ihr sonst noch etwas?“
„Ich denke.“
„So schießt los!“
„Hm! Könnt Ihr keinen Matrosen gebrauchen?“
„Brauche immer welche. Was für einen?“
„Den man einmal verliert.“
„Aha! Im Wasser?“ fragte Landola mit einem bezeichnenden Lächeln.
„Meinetwegen auch auf dem Land. Nur wiederkommen darf er nicht.“
„Wie damals Don Ferdinando de Rodriganda-Sevilla. Nicht wahr?“
„Pst!“ meinte der Notar erschrocken. „Wenn man Euch hörte! Nennt diesen Namen ja nicht wieder!“
„Warum?“
„Don Ferdinando ist ja tot!“
„Ja, schlimmer als tot – verloren, das kann ich beschwören! Wer ist der neue Matrose?“
„Einer, der sich für einen Offizier ausgibt, aber ein Abenteurer ist.“
„Freut mich! Sind mir die Liebsten! Wo ist er zu finden?“
„Auf Rodriganda.“
„Ah! Wie bringt Ihr ihn her?“
„Ihr sollt ihn Euch holen.“
„Auch schön. Ist er stark?“
„Sehr!“
„Tapfer?“
„Noch mehr!“
„Jung?“
„Anfang der Zwanziger.“
„Das ist gut! Er wird sich wehren?“
„Jedenfalls!“
„Das wollen wir ihm verbieten! Wieviel zahlt Ihr, Señor?“
„Wieviel verlangt Ihr, Capitano?“
„Dreihundert Duros für alles: unbemerktes Abholen ohne Geräusch, spurloses Verschwinden und niemalige Wiederkehr.“
„Ich gehe darauf ein, obgleich ich weiß, daß er Euch beim Verkauf eine tüchtige Summe einbringt. Schreibt Euch also die dreihundert über. Wohin werdet Ihr ihn bringen?“
„Hm, weiß noch nicht. Vielleicht nach Borneo oder Célebes. Die Malayen geben dort gern Gold oder gar Edelsteine für Weiße, welche sie ihren Göttern oder Toten zu Ehren schlachten.“
„Ihr seid ein verdammt feiner Pfiffikus, Capitano!“
Der Seemann lachte boshaft und meinte: „Euch fehlt es auch nicht an dieser verdammten Pfiffigkeit. Wann soll ich den Jungen holen?“
„Könnt Ihr morgen abend eintreffen?“
„In Rodriganda? Ja. Werde einen hübschen Wagen mitbringen. Wo soll ich halten?“
„Ich werde Euch entgegenkommen. Richtet es ein, daß ich Euch Punkt zehn Uhr an der Grenze der Besitzung treffe.“
„Schön. Die Einleitungen überlasse ich natürlich Euch. Es muß ein ungewöhnlicher Kerl sein!“
„Warum?“
„Sonst gäbet Ihr Euch nicht solche Mühe. Ein Schlückchen Gift, hm, würde viel rascher sein.“
„Ich hasse das Gift. Es ist unzuverlässig und verräterisch.“
„Unzuverlässig? Hahahaha! Habe eine Art neues Gift entdeckt, prachtvoll!“
„Wo?“
„In einer alten Scharteke. Will sie Euch einmal zeigen!“
Er schloß ein in der Kajütenwand eingelassenes Schränkchen auf, schob eine Menge schwerer Geldrollen zur Seite und zog ein Heft hervor, dessen Schrift erkennen ließ, daß es mehrere hundert Jahre alt sei. Der Einband und das Titelblatt fehlten. Der Kapitän legte es vor sich hin und schlug es auf.
„Herrliches Buch!“ meinte er. „Habe es einem alten deutschen Steuermann abgekauft, der es weiß Gott wo aufgegabelt hatte. Stehen alle möglichen Rezepte und Mittel drinnen und hier auch das Gift.“
Er fand das Rezept, welches also lautete:
„Item eyn herrlich Gifft für Tott und Wahnsinn. Man nimbt eyn Töpfleyn Safft von Antiaris toxicaria, welches genannt ißt Antschaar, eyn halbes Töpfleyn Safft des Strichnos Tieute, so man nennt javanische Brechnuß, eyn vierteyl Töpfleyn Safft von Alpinia galanga, welches ißt indischer Galgant und ebenso vill Safft des Zingiber cassamumar, genannt gifftiger Ingwär. Das siedet man auff die Hälfften ein und hebt es in eyn Flaschen auff. Fünff Tropffen davon machen eyn starken Menschen tott; zwey Tropffen awer gäben ihm in Wahnsinn, so er nicht mehr weiß, wer er gewessen ißt.
Diesser Wahnsinn wierd wieder
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