42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
einen Auftrag?“
„Vielleicht.“
„Vielleicht? Was soll das heißen?“
„Das soll heißen, daß ich euch ganz unvermutet treffe. Ich bin also auf einen Auftrag nicht so recht vorbereitet.“
„Ihr denkt aber, daß es einen solchen geben kann?“
„Ja, wenn wir einig werden. Wie sind jetzt eure Preise?“
„Hm, fast noch die alten“, antwortete sie.
„Ein Toter?“
„Tausend Duros.“
„Ein Verschwundener?“
„Fünfhundert Duros.“
„Eine Kasse, die ihr holt, ohne sie zu öffnen?“
„Fünfhundert.“
„Einen Jungen oder ein Mädchen euch zur Aufbewahrung übergeben?“
„Dreihundert.“
„Ein Grab öffnen?“
„Hundert.“
„Das sind allerdings die alten Preise. Seit wir uns nicht sahen, habe ich mit einem anderen hantieren müssen.“
„Ich weiß es“, nickte sie. „Mit dem Capitano. Seid Ihr zufrieden?“
„Nein. Ich wollte, ich hätte euch vor kurzer Zeit gehabt!“
„So versucht es jetzt.“
„Wir wollen sehen. Also ein Toter kostet tausend Duros?“
„Ja, ein gewöhnlicher nämlich.“
„Und ein ungewöhnlicher?“
„Da richte ich mich nach dem Stand und Reichtum.“
„Ein Graf zum Beispiel?“
„Der Tausend! Ihr wollt doch nicht –“
Sie sprach nicht weiter, deutete jedoch mit der Hand hinter sich nach Rodriganda zu.
„Hm! Möglich!“ antwortete er.
„Tot oder verschwinden?“
„Das ist noch unentschieden. Wie würde der Preis sein?“
„Das ist auch noch unentschieden“, lachte sie. „Wir kommen aus der Gegend –“
„Von Rodriganda her?“
„Ja.“
„War eins von euch auf dem Schloß?“
„Ja, ich selbst.“
„Ah! Wie steht es dort? Gab es nichts Neues?“
„O doch!“
„Was?“
„Hm, der Graf hatte einen Anfall gehabt.“
„Was für einen?“
„Das konnte ich nicht erfahren, doch hieß es, daß ihn ein Doktor Sternau herstellen werde.“
„Das soll ihm schwerfallen.“
„Aha! Ich ahne. Ihr scheint mit diesem Anfall sehr vertraut zu sein!“ forschte sie.
„Pah! Merke dir einmal diesen Namen Sternau. Du wirst den Mann vielleicht bald kennenlernen. Hast du heute abend Zeit?“
„Ja.“
„Kannst du einmal nach dem Park kommen?“
„Gern. Nach welchem Ort?“
„An die große Korkeiche.“
„Die ich von früher her kenne? Gut, ich komme!“
„Ich verlasse mich darauf. Mit Gott!“
Diese Unterredung hatte unter vier Augen stattgefunden, denn die Zigeuner respektierten ihre Anführerin so, daß sie dergleichen Verhandlungen niemals zu belästigen wagten. Jetzt aber, als der Advokat wieder zu seinem Pferd zurückkehrte, drängte sich die ganze vagabundierende Gesellschaft an ihn heran. Er teilte seinen Tabak und seine Zigaretten aus, warf einige kleine Münzen unter die Kinder und ritt dann davon.
Das Zusammentreffen mit den Gitanos war ihm ein außerordentlich erwünschtes. Er hatte mit diesen Leuten, besonders aber mit ihrer Anführerin, bereits früher in Verbindung gestanden und hoffte, von ihrer jetzigen Gegenwart einen nicht geringen Nutzen zu ziehen.
Als er Rodriganda erreichte, herrschte dort wieder einmal eine tiefe Stille. Er übergab sein Pferd und ging nach seinem Zimmer, verließ dasselbe aber sehr bald, um seine fromme Freundin aufzusuchen. Er erfuhr von ihr alles, was geschehen war.
„Bei allen Teufeln!“ fluchte er. „Dieser Sternau sitzt auf jedem Sattel fest. Also den Schaum eines Gekitzelten verlangt er?“
„Ja.“
„Dann wird er den Grafen allerdings herstellen.“
„Ist dies das richtige Mittel?“
„Ja.“
„Er hat gehofft, daß der Graf, wenn ihm die Besinnung zurückkehrt, denjenigen kennen werde, dem er das Gift verdankt. Willst du nicht aufrichtig mit mir sein?“
„Pah!“ antwortete er. „Ihr Weiber dürft nicht alles wissen. Aber, hm, ja, dieser Graf darf seine Besinnung eben nicht wieder erhalten!“
„Wie wolltest du dies anfangen?“
„Beim richtigen Zipfel!“ antwortete er kurz und verließ seine Gefährtin.
In seinem Zimmer schritt er dann ruhelos auf und ab, bis er zu einem Entschluß kam, den er fest entschlossen war, ausführen zu lassen.
Einige Zeit vor Mitternacht kehrte der Reitknecht von Barcelona zurück, welcher dem Arzt die Nachricht brachte, daß das Schiff den Hafen heute verlassen habe. Nur wenig später schlich sich der Advokat hinaus nach dem Park. Er war heute um eine Erfahrung reicher geworden und benutzte diese, indem er sich bemühte, keine Spuren zurückzulassen. Er traf Zarba an der Eiche seiner wartend. Sie versicherten
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