42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
hinreißen zu lassen, meinte besonnen:
„Mein teurer Señor Alimpo, wißt Ihr auch, was Ihr tun wollt?“
„Ja, vollständig.“
„Habt Ihr eine Ahnung der Qualen, die Euch bevorstehen?“
„Ich habe einmal in einem Buch davon gelesen.“
„Und dennoch wollt Ihr sie auf Euch nehmen?“
„Ja. Das sagt meine Elvira auch.“
„Gut, ich werde es mir überlegen. Zunächst muß ich bemerken, daß ich dieses schreckliche Gegengift keineswegs heute oder morgen schon brauche. Der Graf muß sich erst von dem Aderlaß erholen. Wir werden die Bekanntmachung doch noch erlassen und dann unter den sich Meldenden die Auswahl treffen. Für jetzt aber bitte ich um Schonung für den Patienten; er scheint zu schlafen.“ –
Am Spätnachmittag desselben Tages kehrte der Notar Gasparino Cortejo von Barcelona zurück. Es begann bereits zu dunkeln, als er plötzlich sein Pferd anhielt. Auf einem freien Waldplatz, über welchen die Straße führte, erblickte er eine Anzahl Hütten und Zelte, welche um ein großes Feuer standen, über dem ein eiserner Kessel brodelte. Es herrschte ein reges Leben auf dem Platz, denn die Zelte und Hütten bildeten ein Zigeunerlager.
„Sollte das Mutter Zarba sein?“ fragte er sich, als er ein altes Weib erblickte, welches hart neben dem Feuer hockte. „Das wäre ja ein ganz und gar glückliches Zusammentreffen!“
Mittlerweile war auch er bemerkt worden, und im nächsten Augenblick wurde er von schreienden und lärmenden Männern, Burschen, Weibern und Kindern umringt.
„Soll ich Euch weissagen, Señor?“ fragte ein Mädchen.
„Nein, ich kann es besser!“ rief ein altes Weib.
„Herr, eine kleine Gabe!“ brüllten fünf oder sechs Kinder, indem sie sich an sein Pferd hingen.
Er lächelte auf den wüsten Lärm herab und nickte einem alten Burschen freundlich zu:
„Ist das nicht der wackere Garbo, der mich doch kennen sollte?“ fragte er.
Der Angeredete trat näher und blickte dem Sprecher unter den breitrandigen Hut.
„Ah, Señor Cortejo!“ rief er. „Willkommen! Ich erkannte Euch nicht sogleich; habt Ihr nicht ein Pfeifchen voll Tabak für einen armen Burschen?“
„Das und noch viel mehr, wenn du es dir verdienen willst!“
„Warum nicht! Ihr habt mir doch schon manchen schönen Duro zu verdienen gegeben. Gibt es vielleicht etwas. Señor?“
„Möglich.“
„Schwer oder leicht?“
„Weiß noch nicht. Ist Mutter Zarba hier?“
„Ja. Sie sitzt dort am Feuer.“
„So will ich einmal absteigen. Haltet mein Pferd.“
Er stieg vom Pferd und begab sich an das Feuer. In dem Kessel kochten ein paar Hühner, ein Kaninchen, ein Kürbis und einige Heringe.
„Guten Abend!“ grüßte er die Alte.
Sie rührte mit einem Stock in dem Kessel herum, blickte sich gar nicht nach ihm um und fragte nur:
„Wer ist's?“
„Ein alter Freund.“
„Wie heißt er?“
„Das wirst du sehen, wenn du dir ihn einmal ansiehst. Oder ist die einstige Rose der Gitanos so stolz geworden, daß sie ihre alten Bewunderer nicht mehr anblicken will?“
Jetzt endlich drehte sie sich langsam um. Es ist schwer, ja fast unmöglich, die Jahre einer alten Zigeunerin zu erraten; ebenso konnte man das Alter auch dieses Weibes nicht bestimmen, aber das sah man noch heute, schön, sehr schön mußte sie in ihrer Jugend gewesen sein.
„Ah, Cortejo!“ grüßte sie vertraut.
Sie stützte sich mit dem Stock, der ihr jetzt als Rührlöffel gedient hatte, und erhob sich vom Boden. Ihr Gewand bestand nur aus Fetzen, aber ihre Haltung war stolz und gebieterisch.
„Ihr lebt also noch. Señor?“ fragte sie, ihn mit ihren blitzenden Augen messend. „Ich dachte, Ihr wäret längst schon dort, wohin Ihr gehört.“
„Und wo ist das?“
„Beim Teufel!“
„Ah“, lachte er, „ich sehe, daß du noch immer die alte bist.“
„Zarba bleibt ewig, wie sie ist“, antwortete sie.
„Wie lange bist du hier?“ fragte er.
„Hier? Seit Mittag erst.“
„Ich sah euch früh noch nicht. Aber sag, Zarba, sind wir noch die alten Freunde?“
„Ja“, antwortete sie mit einem lauernden Blick. „Oder haben wir uns beleidigt?“
„Ich weiß nichts davon.“
„Ich auch nicht. Es müßte deswegen sein, daß Ihr uns das letzte Mal so schlecht bezahltet!“
„Du bist bei guter Laune, Alte“, lachte er. „Gasparino zahlt stets gut.“
„Ich weiß es“, nickte sie; „aber er verlangt auch rüstige und verschwiegene Arbeit.“
„Ja, wie zum Beispiel jetzt“, stimmte er bei.
„Ah, Ihr habt
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